: SPD hat Bedenken vor Stasi-Prüfung
■ Stasi-Check der Bürgerschaft: Grüne, FDP und CDU dafür, SPD eher dagegen
Ist das „Stasi“-Thema ein rein ostdeutsches Problem? Während täglich aus den Akten der Staatssicherheit neue Einzelheiten über das ostdeutsche Spitzelwesen bekannt werden, sind bisher die Erkenntnisse über die westdeutschen Aktivitäten der „Firma Horch und Guck“ blockiert.
„Wir wollen die Hysterie nicht mitmachen“, so begründete SPD- Fraktionsvorsitzender Claus Dittbrenner seine Bedenken gegen eine generelle Überprüfung der Bremer Volksvertreter auf IM-Karteikarten. Endgültig wird sich die SPD-Fraktion allerdings erst am Montag entscheiden, nachdem am heutigen Freitag der Landesvorstand das Thema beraten hat.
Die Grünen haben die Stasi- Überprüfung auf die Tagesordnung der Bürgerschaft gebracht. Der Vorstand der Bürgerschaft, so die Beschlußvorlage, soll „unverzüglich die nötigen Schritte einleiten“, um von der Gauck-Behörde zu erfahren, ob bremische Volksvertreter „hauptamtlich oder inoffiziell“ für die Stasi gearbeitet haben. „Die Stasi hat auch in Westdeutschland den Versuch gemacht, in Parteien, Friedensbewgung und Protestbewegungen tätig zu werden, um Informationen zu bekommen und Einfluß zu nehmen“, so begründet der grüne Abgeordnete Herrmann Kuhn seine Initiative. So findet sich zum Beispiel die Forschungsstelle Osteuropa der Bremer Uni auf einer Liste von auszuspähenden Objekten, die der KGB mit der Stasi verabredet hat - neben ai, der SPD-Zeitschrift L'80 oder etwa dem Berliner Stadtmagazin „Zitty“ — der Wissensdurst der Stasi war unstillbar. „Die Bürger sollen sicher sein kölnnen, daß in der Bürgerschaft keine Mitarbeiter der Stasi sitzen, und da auch niemand erpreßbar ist“, findet Kuhn.
Die Landtage der neuen Bundesländer haben die Prozedur hinter sich, im Westen gibt es nun erhebliche Bedenken wegen des Verfahrens. Da könnte „Tür und Tor für Spekulationen geöffnet“ werden, findet Dittbrenner. SPD- Landesvorsitzender Isola will sich einerseits „beteiligen an der Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte“, hat andererseits Bedenken gegen den „Generalverdacht“ einer Überprüfung.
Die Erklärung der hessischen Grünen, die auf die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft verweisen und feststellen, daß jeder seine Akte ja einsehen könnem, weisen die Bremer Parteifreunde zurück: Die Gauck-Behörde ist derart von Anfragen überschüttet, daß sie zu eingenen Akten-Recherchen auf Jahre nicht kommen wird. Und nach allen Erfahrungen meldet sich kein Stasi-Zuträger freiwillig, der nicht über seine Karteikarte identifiziert worden ist.
Die Bremer FDP ist für die Überprüfung der Abgeordneten, will allerdings wegen verfahrensrechtlicher Bedenken einen eigenen Antrag einbringen, an dem der Rechtsanwalt und Abgeordnete Axel Adamietz arbeitet. Auch die Bremer CDU, so Fraktionsvorsitzender Peter Kudella, ist grundsätzlich für eine Überprüfung, wenn rechtliche Fragen geklärt sind. „Es soll nicht der Eindruck entstehen, da soll etwas verborgen werden“, sagt Kudella. Allerdings müsse die Überprüfung auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen.
Wie auch in Niedersachsen könnte es also im Bremer Parlament dazu kommen, daß Grüne, FDP und CDU gemeinsam einen Antrag gegen die Stimmen der SPD einbringen. Kudella: „Das könnte durchaus möglich sein“.
Einig sind sich die Parteien allerdings darin, daß die Fraktionsdisziplin aufgehoben sein soll. Kuhn: „Es wird eine Abstimmung quer durch die Fraktionen geben. Das ist durchaus auch sinnvoll.“ K.W.
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