Kaserne, Kaserne, beim Bund sind wir so gerne

■ Peter Korneffel schiebt im Mehringhoftheater alle Berliner Wirtschaftslüstlinge und Showasylanten in ihre angestammte Lachheimat zurück

Stromausfall. Gerade eben noch hatte die Auftaktmusik das Erscheinen des annoncierten Helden verkündet, da macht es »fnac«, und das Mehringhoftheater liegt im Dunkeln. »Oh nein, nicht schon wieder!« raunt es durch das Publikum, und für einen kleinen Moment scheint in unseren Köpfen die abendliche Unterhaltungsperspektive in den Kreuzberger Sternen zu stehen. Doch schon kegelt eine starke Stabtaschenlampe von rückwärts heran, leuchtet jeden Besucher einzeln aus und mahnt — psychologisch geschult — zu allgemeiner »Ruhebewahrung«.

Aber die Tatsache, daß der Strom am heutigen Abend schneller als zur vergangenen Mittagsstunde seinen Weg zurück in die Glühbirnen findet, bleibt für den weiteren Verlauf des Abends letztlich nebensächlich. Denn, so erläutert Kabarettist Korneffel, lange dürfen wir hier eh nicht mehr rumlungern. Gemäß der geltenden Rechtsprechung zum »Gesetz kulturell Verfolgter« wurden nämlich soeben unsere Anträge allesamt abgelehnt. Daher werden wir »Wirtschaftslüstlinge und Showasylanten« ab 23 Uhr »zurückgeschoben«. Bevor dann alle in die bereitstehenden Sondereinsatzbusse verladen werden, gibt es aber zum Trost in der intellektuellen Wärmestube »Mehringhof« noch eine bißchen Kleinkunstkurzweil. Ganz nach Belieben, wahlweise humoristisch oder mit einer Prise Sarkasmus.

Weil der durchschnittsdeutsche Kabarettzuschauer ja erfahrungsgemäß ein regelrechtes Masochisten- Schwein ist, offeriert uns unser Abschiebungsbetreuer dann nach demokratischer Abstimmung wunschgemäß das Programm mit dem »Leidensdruck für den Tag danach«. Da freuen wir uns natürlich heftig, daß es mal wieder durch alle Untiefen teutonischer Unpolitik gehen wird, und lassen uns angesichts unseres kommenden trüben Schicksals noch ein letztes Mal nach Herzenslust »betreffen«.

Bei Peter Korneffel, dem Berufs- Westfalen auf World-Live-Tour, geht es vor allem um diese 175 Gramm Männlichkeit im Schritt und um jene Bundeswehr, für die Stoltenberg neuerdings per Kleinanzeige ein neues Feindbild sucht. Da gibt es zum Beispiel den BW-Prüfungsausschuß, vor dem der einberufene Gabrowski nach Paragraph 5, Absatz 3 seine Zivildienstverweigerung begründen muß. »Stellen Sie sich mal vor«, sagt der Ausschußvorsitzende und lächelt gewohnt fälschlich- freundlich, »Sie gehen nachts durch den Park, und da wimmert so eine siechende Alte auf 'ner Parkbank. Nein, Sie haben diesmal keine Waffe dabei — was tun Sie da?« Gewissen hin, Gewissen her, wenn der Kapitalismus nun mal gesiegt hat, liegt die Front eben im eignen Land.

Pflegenotstand, Altenschwemme: da wird jeder Mann gebraucht, und so kommt der Military- Bube Grabowski mit seinen Gewissensbissen natürlich nicht durch. Wenn einer das Wort »helfen« schon freiwillig in den Mund nimmt, weiß auch Manfred Wörners »Rororo- Handbuch für Zivildienstverweigerung« keinen Rat mehr. Dann ist der Weg zur mobilen Eingreiftruppe »Essen auf Rädern« vorprogrammiert und die Aussicht auf eine ruhige Kugel in der Bundeswehr für immer dahin. Auf dem letzten Truppenübungsplatz am friedfertigen Niederrhein rüttelreimen die Rekruten derweil »Kaserne, Kaserne/ beim Bund sind wir so gerne« und putzen ihre fabrikneuen Sturmgewehre im Wiegeschritt des Cha-Cha.

Kaum haben die Amis den Ölfilm des Golfkriegs beseitigt — der Bauschutt Jugoslawiens ist noch nicht einmal restlos beseitigt —, da ändern sich die Dinge bereits in so rasantem Tempo, daß Twix eigentlich schon wieder Raider sein müßte. Jetzt, wo Texaco wieder die Deutsche Energieanstalt ist, mit der bereits Hitler den Krieg gewinnen wollte, und wo die grüne Partei endgültig zu einem kleinen grünen Punkt wurde, mit dem keiner so recht etwas anfangen kann, geben die letzten aufrechten AKW-Gegner ein für allemal ihren Löffel ab und lassen im energiepolitischen Nirwana ihren warmen Kern dahinschmelzen. So weit so Kabarett.

Peter Korneffels Programm Endstation Freiheit ist immer dann wirklich witzig und komisch, wenn er sich abseits dieser großen Politthemen im bundesdeutschen Alltagssumpf tummelt. Wenn er als deutscher Michel über japanische Autos wettert und Jürgen Möllemann nach Tokio beordert, um einmal mit den »Thunfischgesichtern Tacheles zu reden«, ist das zwar wirtschaftspolitisch nicht besonders aktuell, aber besonders komisch. Sein »anonymer Lachabhängiger«, der von seiner verheerenden Lachsuchtkarriere erzählt: wunderbar! Und wenn sich der Mann mit entblößtem Oberkörper und einem Autoreifen auf der Bühne herumwälzt, eine flammende Ode an seinen heißgeliebten Sommerreifen dichtend, dann trifft er beeindruckend genau diesen unsäglich-automobilen Werbespot-Ton, mit dem die Freiheit immer auf der Straße tiefergelegt wird.

Für solche Highlights ist Korneffel wirklich gut, wenn er auch besser einsehen sollte, daß er nicht zu den wenigen begnadeten Kabarettisten gehört, die à la Hildebrandt das aktuelle Tagesgeschehen von der Bühnenrampe herunter kommentieren können. Peter Korneffels Schärfe liegt mehr in seinen präzise ausgespielten Beobachtungen als auf seiner Zunge. Das tut der Klasse des Programms aber keinen Abbruch. Von so einem wie Korneffel laß ich mich gerne kulturell abschieben. Denn ich bekenne: auch in bin ein Lacher. Klaudia Brunst

Peter Korneffels Endstation Freiheit ist als Wiederaufnahme noch bis zum 16.2. von Mittwoch bis Sonntag, um 21 Uhr im Mehringhoftheater, Gneisenaustr. 2a, zu sehen.