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„Ich habe mein Gesicht verloren“

■ Mord an der Bremer Nepalesin Irmela Ataie vor dem Landgericht: Geständnis des Ehemanns

Am Morgen des 8. Januar 1991 wurde die junge Nepalesin Nirmala Ataie im Bremer Bürgerpark tot aufgefunden, erstochen mit einem einseitig geschliffenen Messer, siebzehn Messerstiche hatte Staatsanwalt Frank Repmann gezählt, einer ging direkt ins Herz.

Auf der Flucht in die Schweiz wurde wenige Tage später ihr moslemischer Ehemann Baz Mohammed Ataie als mutmaßlicher Mörder verhaftet. Er sitzt seither in Bremer Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hatte nicht auf Mord, sondern vorsichtig auf Totschlag angeklagt. Eine Nebenklage von Angehörigen der Getöteten gibt es nicht. Gestern wurde der Prozeß gegen Ataie im großen Schwurgerichtssaal des Bremer Landgerichts eröffnet.

Wenn es in dem ersten, fünfstündigen Verhandlungstag auch vorwiegend um die Rekonstruktion der Biographie und des Fluchtwegs des Angeklagten ging, der aus Afghanistan über Nepal in die Bundesrepublik kam (wo zwei seiner Brüder in Bremen lebten), so wurde doch aus jedem mühsam erfragten, heiser geflüsterten und vom Übersetzer hörbar gemachten Satz deutlich, daß das Leben Nirmala Ataies vor dem Hintergrund des Kulturkonfliktes zwischen Islam umd westlicher Welt, zwischen moslemischer Ehe und den ersten Versuchen eines selbstbestimmten Lebens zerschnitten wurde.

Als Studentin der Naturwissenschaften hatte er Nirmala in Katmandu kennengelernt, in gebrochenem Englisch und über Urdu hatten sie sich radebrechend verständigt.

Aus eigenem Entschluß reiste sie ihm nach in die Bundesrepublik, sie wollten heiraten. In Nepal hatten sie sich noch nie geküsst, aber nach der Hochzeitsnacht in Bremen, legitimiert durch ihren Übertrittt zum moslemischen Glauben, fand er das Bettlaken nicht blutig.

Wer hat es gesehen? Wer danach gefragt? Eigentlich niemand von seinen Brüdern und deren Familien, aber er konnte „seine Brüder nicht mehr angucken... Ich habe mein Gesicht verloren.“

Ja, er habe sie auch geschlagen, danach. Ein anderes Mal hatte sie nicht für ihn gekocht. Er schlägt. Nirmala Ataie floh vor ihrem späteren Mörder zweimal ins Frauenhaus.

Ein Brief aus Nepal schließlich, den er ihr aushändigen wollte, war der Anlaß für das letzte der Treffen, das tödlich endete. Durch ihren Aufenthalt im Frauenhaus hatte Nirmala sich verändert. Als er sie händeringend bat, zu ihm zurückzukehren, lachte sie nur. „Sie hat das alles nicht so ernst genommen.“ Das Bild der schleiertragenden, ausschließlich über den Mann definierten Frau, das er sich von ihr gemacht hatte, stimmte mit der lebendigen Frau nicht mehr überein.

„Ich habe nur noch schwarz gesehen... Ich habe die Kontrolle verloren... Irgendwann habe ich das Messer in meiner Hand gesehen...“ Und: „Ich schäme mich, daß ich meine Fau umgebracht habe... Ich habe meine Strafe verdient...“ Er weint.

Nach den teils suggestiven, teils zähen Fragen des vorsitzenden Richters Karsch stellte Staatsanwältin Claudia Traub die Fragen. Sie ist die erste, die im Prozeß nicht von „der Ehefrau“ spricht, sondern nach dem Namen der Ermordeten fragt: Nach dem Mädchennamen von Nirmala Komarie.

Sie ist auch die erste, die durch ihre Fragen den Blick auf die Frauen der Brüder lenkt: Schleiertragend, kaum deutsch sprechend, ans Haus gebunden, daß sie sich nicht alleine auf die Straße wage obwohl sie schon seit sieben Jahren in Bremen leben.

Je mehr Mohammed Ataie als strenggläubiger Moslem durch die Konfrontation mit westlichen Wert- und Moralvorstellungen verwirrt wurde, umso mehr erstarrte er in den Konventionen einer Welt, die er zwar äußerlich verloren hatte, die er aber stumm in seinen Inneren zementierte. Sprachlos, mit Gehbehinderungen, isoliert. Inge Buck

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