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Erst das Essen, dann die ABM-Kultur

■ Wer hilft der Kultursenatorin aus der ABM-Patsche? Eine kleine Umfrage unter ihren Amtsnachbarn

In einer Pressekonferenz und bei „buten & binnen“ appellierte letzte Woche die Kultursenatorin Helga Trüpel an ihre Senats-KollegInnen, die ABM-Streichungen (300 Stellen bei Kultur) nicht als Kultur-Problem abzutun. Ihre Logik: Schließlich habe das Kultur-Ressort in den letzten Jahren mit seinen vielen ABM den Bremer Haushalt deutlich entlastet, Kulturarbeit wirke auch sozial-und wirtschaftspolitisch — und ihr Ausbau sei von den Koalitionsparteien ausdrücklich beschlossen worden. — In den anderen Ressorts herrschte Befremden darüber, daß „die Senatssitzungen jetzt nach Buten & Binnen ausgelagert“ seien. Die taz fragte nach, wie Trüpels Appell ankam.

Wirtschaftssenator Claus Jäger äußerte sich betont aufgeschlossen: „Ich empfand es als etwas ungewöhnlich, über diesen Wunsch der Kollegin Senatorin aus Buten & Binnen zu erfahren. Sie rennt bei mir offenen Türen ein, wenn es darum geht, für eine Stadt Kultur in ihrer Bedeutung als Standortfaktor anzubieten. Da brauche ich keine Nachhilfe, das sage ich seit Jahren, und ich freue mich, wenn Frau Trüpel das auch so sieht. Und deshalb werden ja auch mit Mitteln aus dem WAP (wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm, d. Red.) Kultur und kulturelle Einrichtungen gefördert. Wir haben allerdings auch beim WAP Kürzungen hinzunehmen! Wenn es uns gelingt durchzusetzen, was auch mit Kultur geplant ist, dann haben wir allerhand erreicht. Es wäre eine Illusion anzunehmen, daß wir alles ersetzen können, was von ABM-Kürzungen bei Kultur betroffen sein kann.“

Der Sprecher der Bau-Senatorin Lemke-Schulte fand schlicht: „Die Kürzungen sind ja nicht unsere Angelegenheit. Da unternimmt das Arbeitsressort doch was. Wir verwenden unsere Sachen für bauliche Angelegenheiten. Wenn der Senat einen Prüfauftrag beschließt, dann werden wir uns seiner annehmen, aber doch nicht auf die Initiative einer einzelnen Senatorin hin.“

Der Staatsrat für Justiz, Michael Göbel, macht sich Trüpels Sorgen selbst: „Wir haben selbst eine Menge ABM, denn im ganzen Bereich der Haft-Vermeidung wird mit freien Trägern gearbeitet. Wir können keine Haushaltsmittel an Frau Trüpel abgeben, sondern müssen dafür sorgen, daß wir den eigenen Betrieb aufrecht erhalten können.“

Gertrud Stoevesandt, u. a. für ABM zuständig bei Soziales, stellte Gegenfragen: „Wo sollen wir Haushaltsmittel hernehmen? Wir sollen im Rahmen der Sparquote sogar den Bereich der Sozialhilfe einbeziehen! Natürlich ist Kultur, wo sie im Stadtteil verortet ist, für unsere überwiegend benachteiligten Zielgruppen ein ganz wichtiger Faktor! Nur, wir können es nicht zuerst den sozial Benachteiligten wegnehmen und dann wieder hinschieben. Wenn man gegeneinander diskutieren muß Kultur oder Essen, werden die meisten Essen sagen...“

Jörg Henschen, Sprecher der Arbeitssenatorin, wies auf vergangene Verdienste hin: „Kultur ist unheimlich wichtig, wir haben schon 1991 fast sechs Millionen in ABM-Kulturprojekte gesteckt, wir haben Schlachthof und Lagerhaus aufgebaut, wir stecken in Shakespeare, im KUZ Walle — und wir haben großes Interesse, daß wir selbst mehr ABM bekommen und nicht, daß wir das an den Kulturetat weitergeben — oder sollen wir dafür die Frauenprojekte kürzen?“

Der grüne Umweltsenator Fücks gab seiner Senats- und Parteikollegin durch seinen Sprecher Edo Lübbing ein bißchen öffentliche Nachhilfe fürs Gedächtnis und für Verfahrensfragen: „Das Ressort Umwelt und Stadtentwicklung ist bereits in den Eckwertverhandlungen dem Kulturressort entgegengekommen! Im übrigen sind die Finanzverhandlungen keine Angelegenheit der öffentlichen Debatte, sondern im Senat zu klären.“ Zusammengetragen von S.P.

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