: Fücks reichte Wedemeier Wasser
■ Debatte um die Regierungserklärung des Ampel-Senats in der Bürgerschaft
„Herr Wedemeier, ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen, aber die buchhalterische Fleißarbeit, die Sie hier als Regierungserklärung vorgetragen haben, war für mich ein Beleg für die Gefahren der Computerisierung für das lebendige Denken, denn diese Rede war das Ergebnis der Kombination von Textbausteinen in den neuen Personalcomputern des Ratshauses statt das Produkt politischer Phantasie und zukunftsorientierten Denkens“, so reagierte der Grüne Ralf Fücks auf die Regierungserklärung des alten und neuen Präsidenten des Senats, Klaus Wedemeier — damals, 1987. Zwar war die Regierungserklärung 1992 nicht deutlich konkreter oder phantasievoller als die von 1987, Ralf Fücks aber hat die Bank und damit die Rolle gewechselt. Der Senator für Umweltschutz und Stadtentwicklung reichte dem Präsident des Senats Wasser, als dessen Stimme bei Seite 22 des 50-Seiten-Manuskripts ausgerechnet beim Punkt Weser-Vertiefung rauh wurde. Fücks mußte die langen Redezeiten der Fraktionsvorsitzenden abwarten, bis er zu Wort kam und gegen den CDU-Mann Peter Kudella verdeutlichen konnte, „was wir in der Regierungserklärung gesagt haben“.
Die Debatten in der Regierung seien interessanter als die mit der Opposition, sagte er und versuchte dann aufzuzeigen, was „wirklich neu“ gewesen ist an Wedemeiers Regierungserklärung von 1992: Eigeninitative, Entstaatlichung von Politik sei angekündigt. „Wir müssen wahrscheinlich unsere Erwartungshaltung und die der Bevölkerung völlig neu überlegen“, meinte Fücks. Bei aller Bewahrung der Hilfen des sozialen Netzes müsse man von denen, die es sich leisten können, mehr abverlangen“. Vor allem aber versprach Fücks einen „neuen Politikstil“, Auseinandersetzung mit denen, die von der Politik betroffen sind. Wenn das gelinge, könne die Ampel ein „Signal sein nicht nur für Bremen“.
Während er redete, waren vor der verschlossenen Tür des Parlaments mehr als tausend Kinder, Eltern und Betreuerinnen versammelt, die gegen die höheren KTH-Gebühren protestierten.
Eine Erfrischung des weitgehend ermüdenden Schlagabtausches war auch die Rede des FDP- Wirtschaftssenators Claus Jäger. Er bot dem CDU-Oppositionsführer einen Liftkurs in Wirtschaftpolitik und bekannte, daß „das Spannende an diesem politischen Bündnis“ der Ampel-Koalition die Herausforderung der Ökologie für die Wirtschaftspolitik sei.
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Dieter Mützelburg als Fraktionsvorsitzender der Grünen zeigte bei allem Schulterschluß mit der Regierungsbank doch, wo die Grünen für ihr Klientel Akzente setzen müssen: Er hofft, daß gegenüber den von ABMKürzungen betroffenen Projekten und Initiativen jetzt dieselbe Solidarität gezeigt wurde wie einst gegenüber den Werftarbeitern. Er will den Stellenstop insbesondere im Sozial- und Bildungsbereich überprüft wissen. Und er klagte unter Hinweis auf die Kostenentwicklung beim Bau des Kongreß
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Ampel-Präsident Klaus WedemeierFoto: Tristan Vankann
zentrums ein, daß „Sparpolitik verständlich sein“ müsse. Seine kecke Schlußbemerkung, diese Regierungserklärung einer Ampel-Koalition müsse ja nicht die letzte sein, provozierte ein Lächeln auf den Gesichtszügen des ernsten Bürgermeisters.
Wedemeier hatte seine Regierungserklärung begonnen mit einem weitschweifenden Blick auf das neue Europa: „Die Zukunft des Landes öffnet sich, wenn wir den engen Rahmen unsere Landes-und nationalen Grenzen hinter uns lassen“, versprach Wedemeier. Die Kooperation über Grenzen sei in diesem Europa der Normalfall, die „Hanse-Interregio“ mit Niedersachsen und holländischen Regionen sei ein Beispiel. „Die Lage Bremerhavens fast unmittelbr an der offenen See ist eine entscheidende Zukunftschance für das Land Bremen des 21. Jahrhunderts“, sagte Wedemeier. In diesem Sinne versicherte Wedemeier, der Senat gehe davon aus, daß die Unterweser-Vertiefung kommt — wegen der Gesetze des Bundes sei eine „Bewertung von Umweltauswirkungen“ notwendig.
Wedemeier versah das Stichwort „Stadtentwicklung“ mit dem Adjektiv „Ökologisch“, er nahm „Stadt am Fluß“ in seine Regierungserklärung auf und versprach, den „Vorrang“ des Öffentlichen Personenverkehr „mit großem Nachdruck“ zu vertreten: Vom „Jahrhundert der Ökonomie“ gebe es nun ins „Jahrhundert der Ökologie“. Gleichzeitig warnte Wedemeier vor „übertriebenen und überhitzten Forderungen“ und versicherte der Handelskammer, „alle“ für eine Umorientierung des Wirtschaftens erforderlichen Akteure müßten mitwirken: „Umweltpolitik ohne oder gegen die Ökonomie ist Traumtänzerei.“
Recht deutlich verteilte Wedemeier die Verantwortung für die Bremer Finanzlage: „Erhebliche Wachstumsverluste aus den Jahren 1975 bis 1985“ seien noch nicht aufgeholt, „in vornehmer Zurückhaltung“ sei vor 1986 — vor dem Wechsel von Koschnick
zu Wedemeier — der Senat nicht vors Bundesverfassungsgericht gezogen gegen die Verschlechterung Bremens bei der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern. Wedemeier warnte noch einmal vor einer leichtfertigen Debatte um einen Nordstaat: „Jenseits der Hauptstadt liegt in einem Flächenstatt immer die Provinz.“ K.W.
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