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KOMMENTARIm Räderwerk der neuen Zeit

■ DDR-Unrecht und individuelle Gerechtigkeit

Ein »Unrechtsbereinigungsgesetz« wird im Sommer verabschiedet werden. Das ist gut so. Der Entwurf aber ist mangelhaft. Menschen, die einmal, manchmal auch zweimal in ihrem Leben Opfer waren, müssen fürchten, noch einmal Opfer zu werden — gerade deshalb, weil sie dem »normalen« Opferprofil nicht entsprechen. Nicht erfaßt werden beispielsweise jene Menschen, die vor der DDR-Staatsgründung von sowjetischen Stellen zur Zwangsarbeit verschleppt wurden und danach in der DDR lebten. Nicht entschädigt werden Menschen, die zwar ihr Leben lang litten unter den DDR-Verhältnissen, aber nicht im Knast saßen. Ihre Biographie ist geprägt von der kleinteiligen Schikane, derer dieser Staat mit unerbittlicher Perfektion und nie nachlassendem Gedächtnis fähig war. Ohne Chance, zu Wohlstand und gutem Arbeitsplatz zu kommen, werden sie nun im Alter auch von der Bundesrepublik mit erbarmungswürdig geringen Renten bestraft. Doch auch jene, die unschuldig in Haft gesessen haben — also die Nutznießer der bisherigen Gesetzentwurfs —, warten immer noch auf ihre Rehabilitierung. In ohnmächtiger Wut müssen sie auch miterleben, wie jene Kriminellen, unter denen sie als Strafverschärfung zu leiden hatten, nun mit ihnen gleichgestellt werden.

Über die vielfältigen Probleme in Ostdeutschland, über Neuaufbau, verwirrende Eigentumsverhältnisse, über Arbeitslosigkeit und Politikverdruß werden diese Opfer leicht vergessen. So müssen sie fürchten, auch im Räderwerk der neuen Zeit zermahlen zu werden. Ein Unrechtsbereinigungsgesetz aber verdient den Namen nur, wenn es sich bemüht, über die grobgeschnittene Kollektivlösung als klassischem Ansatz staatlicher Fürsorge auch den individuellen Schicksalen gerecht zu werden. Geld darf kein Argument sein, zumal nur einige tausend Menschen betroffen sind. Es geht um den unabweisbaren Anspruch einer individuellen Gerechtigkeit. Der demokratische Staat hat sich zu beweisen.

Siehe auch Seite 26 Gerd Nowakowski

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