Trouble um ein paar »peanuts«

■ Das 1. Berliner Rock-Forum zur Zukunft des Senatsrockwettbewerbs

Das inzwischen zwölfjährige Kind trägt den wenig einfallsreichen Namen »Rock News«, ist ein Rockwettbewerb für Berliner Bands und braucht im Jahr 100.000 DM. Nachdem es sich in den ersten Jahren gut entwickelte, wurde es in letzter Zeit so krank, daß nun über eine Notschlachtung nachgedacht wird. Dazu trafen sich am Donnerstag im HdjT auf Einladung von Barbara Esser, der Leiterin des Referats für freie Gruppen im Kultursenat, und Uwe Sandhop, Mitarbeiter dieses Referats und im Volksmund auch »Rockbeauftragter« geheißen, MusikerInnen, VeranstalterInnen, JournalistInnen und andere an Musik Interessierte zum »1. Berliner Rock-Forum«, um über geeignete ärztliche Maßnahmen und die weitere Verwendung der 100.000 DM zu diskutieren.

Kritik am Wettbewerb, am Auswahlverfahren, an der Qualität der Bands, hat es immer gegeben. 1991 kulminierte die Entwicklung, als die Jury bei der Vorauswahl nur sechzehn Kapellen erwählte, obwohl sie mehr in die Endausscheidung schicken und damit schon mit Preisen hätte bedenken können. Während früher die Konzerte von jeweils drei Bands an einem Abend im Quartier so gut wie immer ausverkauft waren, verloren sich im letzten Jahr manchmal gerade achtzig Menschen im Loft, und das bei einem Eintrittspreis von nur sechs Mark.

Die Jury hat aufgrund der hoffnungslosen Situation ein Konzept entwickelt, das unter anderem sie selbst abschafft. Gregory Beck, 'zitty‘-Musikredakteur und letztjähriges Jury-Mitglied: »Der Schuldige sind die Bands. Die waren in der Breite einfach zu schlecht. Unsere Empfehlung heißt deshalb üben, üben, üben, und zwar live.« Das Konzept der Jury sieht vor, daß zehn ausgewählte Klubs jeden Monat zwei Konzerte mit jeweils drei Berliner Bands veranstalten sollen, die durch Ausfallbürgschaften des Senats abgesichert werden. Die Bands sollen dabei eine garantierte Gage von 500 DM erhalten. Die Jury hat errechnet, daß 300.000 DM nötig wären, um diese 240 Konzerte mit 720 Auftrittsmöglichkeiten finanziell abzusichern. Die Summe soll aber durch Eintrittspreise (3 DM pro Abend) und Gastronomie verkleinert werden. Die Auswahl der Bands treffen die Klubs selbst, Preise gibt es keine.

Die im Saal anwesenden MusikerInnen fühlten sich durch die Ausführungen von Beck vor allem persönlich angegriffen und konterten mit dem Gegenargument, daß es genügend Auftrittsmöglichkeiten in der Stadt gebe. Man dürfe nicht noch mehr die Klubs finanzieren, auch weil diese schon bisher vom Senat unterstützt werden. Eine MusikerInnen-Initiative hatte zum Forum schon einen Gegenvorschlag formuliert. Mit den freiwerdenden Geldern wollen sie ein Büro finanzieren, das Musikern Hilfe in allen Lebenslagen gewähren soll. Für Bob Romanowski, früher bei den Beatitudes, jetzt Poor Little Critters, soll so ein Büro vor allem dazu dienen, das Dasein der Musiker auf gesündere Beine zu stellen: »Alles außen rum, Veranstalter, Presse, Plakatdrucker sind professionell. Nur die Musiker nicht, die sind Amateure, das liegt in der Natur der Sache.« Das angestrebte Büro soll dazu dienen, daß die Musiker sich austauschen können und nicht mehr zwangsläufig dieselben Fehler wie ihre Vorgänger begehen. Die Vorstellungen sind allerdings noch nicht konkret. Bob Romanowski: »Im Moment wollen wir Ideen sammeln, wie das Büro betrieben wird, und dann wieder diskutieren, wie wir vorgehen.« Auch wurde darüber diskutiert, wie ein solches Büro aussehen und was es leisten sollte.

Wolfgang Döbeling, Journalist und mitverantwortlich für die Berlin Independence Days, regte an, sich ein Vorbild an ähnlichen Einrichtungen zu nehmen. Das geplante Büro sollte sich um Sponsoren kümmern, um den schmalen Haushalt aufzustocken. In Nordrhein-Westfalen kann das dort existierende Rock- Büro 4,6 Millionen im Jahr ausschütten. Döbeling brachte außerdem eine Publikation ins Gespräch, die die lokale Szene darstellen und an alle wichtigen internationalen Adressen im Business vertrieben werden soll. Das soll die Bands, »die auch nicht schlechter sind als anderswo«, und Berlin als Musikstadt im Bewußtsein von Plattenfirmen, Veranstaltern und Medien verankern. Ähnliches wird in verschiedenen Ländern mit großem Erfolg praktiziert.

Auch wenn sich die Anwesenden des Hearings im großen und ganzen einig über die Notschlachtung des Wettbewerbs und die Sinnigkeit eines wie auch immer gearteten Büros waren, trifft doch die endgültige Entscheidung der Kultursenator selbst. Allerdings auf Vorschlag des zuständigen Fachreferats, in diesem Fall Uwe Sandhop und Barbara Esser.

Für Esser ist auch nach dem Forum nur klar, daß der Wettbewerb in der bisherigen Form keine Zukunft hat. Ganz gestorben ist er für sie aber noch nicht, weil sie der Meinung ist, daß die Berliner Szene eine öffentliche Präsentations-Plattform mit Außenwirkung braucht. Ansonsten wird sie weiterhin mit allen Initiativen in Kontakt bleiben, um schließlich das sinnvollste und tragfähigste Konzept zur Verwendung der freiwerdenden Summe zu finden. Man kann sich also vorstellen, was für ein Rumoren im Lobby-Sumpf in den nächsten Wochen einsetzen wird. Und das obwohl die 100.000 DM in den Worten von Peter Radzuhn, selbst Musiker und Mitarbeiter bei der BID, eigentlich nur »peanuts« sind. Thomas Winkler