piwik no script img

Notfalls entscheidet das Los

■ Neues Namensrecht: Warum Standesbeamte zwei Büroklammern brauchen

„Wer sich nicht einmal darüber einigen kann, gehört auch nicht verheiratet!“ sagt der sachverständige Herr Katt vom Standesamt Mitte.Fotos: Tristan Vankann

„Nach dem neuen Recht kann jeder heißen, wie er will.“ Wer hätte es bis dato gewagt, solche Worte einem deutschen Beamten, bei dessen Arbeit zwei Büroklammern eine wichtige Rolle spielen werden, in den Mund zu legen? Anarchie? Ehrlich und endlich?!

hierhin bitte das Foto

von dem schönen alten

Haus

Doch noch ist sie nicht verabschiedet, die neue, von Bundesjustizminister Kinkel erarbeitete Gesetzesvorlagezum Namensrecht.

„Jeder wie er will“, verspricht Dieter Katt, Amtsleiter des Bremer Standesamtes Mitte, einander Zugetanen: Im Falle der Eheschließung sollen künftig beide Gatten, falls gewünscht, ihre bisherigen Namen behalten können.

Ein „Namenschaos“ vermutet CSU-Generalsekretär Huber. Doch der Standesbeamte Katt sieht dem nicht nur gelassen, sondern auch mit Erfahrung entgegen: Schon seit März letzten Jahres ist diese Möglichkeit kraft einer Übergangsregelung gegeben — bloß nutzte sie kaum jemand. Wollen die BremerInnen nicht, oder wissen sie nur nichts davon?

Insgesamt haben im letzten Jahr 2.852 Paare auf dem Standesamt Mitte geheiratet — 154 davon behielten ihre 308 alten Namen, brauchten also ihre Ausweise anschließend nicht zu ändern.Das sind gerade mal sechs Prozent. In Tübingen und anderen Universitätsstädten sei die Quote höher, weiß Katt.

Spätestens beim Ja-Wort sollte andernfalls entschieden sein, welcher gemeinsame Name der

Ehe Dach bilden soll — wobei jeweils demjenigen, dessen Name nicht auserwählt wurde, freisteht, dem gemeinsamen seinen Geburtsnamen voranzustellen. Daher rühren sie also, diese Heerscharen von Doppelnamen.

Heerscharen? Nur zehn Prozent der Bremerinnen, die sich mit dem Angetrauten auf dessen Namen einigten, führten von da an Doppelnamen. Dagegen wollte die Hälfte der 132 Männer, die 1990 den Namen der Frau als Ehenamen annahmen,nicht auf den Nachweis der Stammlinie verzichten: 74 brachen mit einem Doppelnamen in eine Frauen-Domäne ein. 1991 waren es noch weniger: Wenn sich der Mann gesträubt habe, den Namen der Frau anzunehmen, hätten beide lieber gleich ihre Namen behalten, vermutet Katt.

Gibt es bei der Eheschließung schon Namens-Knatsch, wird es bei den Kindern vollends schwierig. Wo beide Elternteile verschieden heißen, bekommt das Kind einen Doppelnamen — in einer Reihenfolge, über die sich wiederum die Eltern einigen müssen. Tun sie das nicht, entscheidet der Standesbeamte per Los, ob das Kind nun von Herzmanovsky- Halverscheidt oder Halverscheidt-von Herzmanovsky heißen wird. „Ich habe notfalls immer zwei verschieden lange Büroklammern auf dem Tisch, damit schaffe ich das“, erzählt Katt. Im Beisein der Eltern würde dann

hierhin „Standesamt Mitte“

gelost — vorgekommen ist das in Bremen bisher aber noch nicht. Katt hielte den Eventualfall aber dann doch für eine ziemliche Farce: „Wenn sich zwei noch nicht mal darüber einigen können, gehören sie auch nicht verheiratet!“ Susanne Holzleitner-Kaiser

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen