: Unentschuldigt in Kurdistan
■ Für Aufbauhilfe in Kurdistan erntet der grüne Landtagsabgeordnete Siggi Martsch Schelte
Düsseldorf (taz) — Die eigene Fraktion gab sich ziemlich reserviert: „Wir bedauern“, daß Siegfried Martsch keinen Antrag auf „befristete Beurlaubung von der Landtagsarbeit gestellt hat“, hieß es in einer Erklärung der grünen Fraktionsleitung von Nordrhein- Westfalen.
Eher kleinlaut wird zur monatelangen Abwesenheit des Fraktionskollegen Martsch Stellung bezogen — von offensivem Beistand keine Spur. Der bei den Grünen nur „Siggi“ gerufene Martsch muß sich weitgehend allein verteidigen. Weil Martsch, der linke Populist, die grüne Seele kennt, macht ihm das aktuelle Spektakel um seine monatelange, unentschuldigte Abwesenheit vom Düsseldorfer Landtag indes keine großen Sorgen.
Die Partei wird ihm die Kritik des Bundes der Steuerzahler, der sogar von Verschwendung öffentlicher Mittel spricht, gewiß nicht übelnehmen. Martsch zur taz: „Wenn ich monatelang auf den Bahamas in der Sonne gelegen hätte, dann könnte man gewiß von Verschwendung von Steuermitteln reden, aber bei meiner Aufbauhilfe in Kurdistan, die ich zum Teil unter Einsatz meines Lebens geleistet habe, sind solche Vorwürfe doch wohl absurd“.
Am Dienstag stellte sich der Gescholtene, der seit September letzten Jahres ein Aufbauprojekt der Schweizer Caritas für die kurdischen Flüchtlinge im Norden des Iraks leitete und seitdem an keiner Landtagssitzung mehr teilgenommen hat, in Düsseldorf der Presse. Unstrittig ist, daß der Abgeordnete gegen die Geschäftsordnung des Landtages verstoßen hat, die im §3 vorschreibt, daß Urlaub über zwei Monate hinaus der „Zustimmung des Landtags“ bedarf. Martsch hat um solche Zustimmung weder ersucht, noch hat er seine Abwesenheit gegenüber der Landtagspräsidentin — wie ebenfalls vorgeschrieben — überhaupt angezeigt.
Der Kleinkrieg um Geschäftsordnungen im Zusammenhang mit dem Winterhilfsprojekt der Caritas, das, so Martsch nicht ohne Stolz, „in der Quantität und Qualität nicht möglich gewesen wäre, wenn ich es nicht abgesichert hätte“, beschämt nicht nur den Abgeordneten.
Innenminister Herbert Schnoor, für die Düsseldorfer Landesregierung selbst mit einem zwei Milliarden Mark umfassenden Hilfsprojekt im nördlichen Irak aktiv, sprang Martsch in Leserbriefen öffentlich bei. Schnoor wörtlich: „Ich finde es ausgesprochen schade, daß die notwendige humanitäre Hilfe, die dort auch von Herrn Martsch mit hohem persönlichen Einsatz geleistet wird, so wenig Beachtung findet und daß im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses nur die Frage steht, ob Herr Martsch seinen Pflichten als Landtagsabgeordneter nachkommt.“ Walter Jakobs
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