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Blut, Gift, Galle — und Blau

■ „Bloody Mary“: Spielfilm einer Ex-SchülerInnen-Gruppe / Sonntags Premiere

Ob der Spielfilm wirklich ist, spielt keine Rolle, weil er jedenfalls wahr ist. Denn die sieben Bremer Jugendlichen, inzwischen alle über 20jährig, vor sieben Jahren noch SchülerInnen der Video-AG Ronzelenstraße, fanden, daß so das Leben ist. Total so! Das Team um die Medienpädagin Dagmar Gellert hat jetzt seinen dritten Film fertiggedreht, den Spielfilm „Bloody Mary“.

Wie viele Fallen unbetappt rechts und links am Weg standen! Mona Kling, die beeindruckende Hauptdarstellerin, schläft in der Rolle der 16jährigen Marie-Susann zum ersten Mal mit einem Jungen: ein Desaster. „Das ist doch immer so“, kommentieren trocken die Freundinnen. Der Junge: stoffelig, lieblos, dabei völlig mit seiner eigenen Unerfahrenheit beschäftigt. Aber das von der Gruppe verfaßte Drehbuch macht nicht auf simple Täter-Opfer-Perspektive: Marie- Susann läßt sich auch nehmen, läßt ihn stoßen, läßt sich ruhig und lange ins Gesicht gucken und filmen, guckt selbst nirgends hin, merkt nicht, daß er das Präservativ nicht draufgekriegt hat. Sie wird schwanger, hat eine blutige Fehlgeburt, für Eltern und Freundinnen eine Erleichterung.

Der Film zeigt, wie Jugendliche sich und die Erwachsenen sehen - nicht, wie sie nur sind. Er zeigt: die Ahnungslosigkeit und Verklemmtheit dieser vermeintlich aufgeklärten, abgebrühten jungen Generation;läßt Zärtlichkeit unter Mädchen ahnen und gleich in Verlegenheit begraben, macht ein bißchen Mut, sich selbst zu helfen: Das blaueste Getränk, Blue Curacao, macht sich Marie-Susann am Schluß, statt der ungeliebten Bloody Mary von früher.

Wunderbar schrecklich, mit giftiger Schärfe dicht unter ihrer Boutiquen-Freundlichkeit: die Mutter (Karin Oeljeklaus), in subtilem Ehekrieg um Tee und Wurst und begrabene Träume mit ihrem Mann, „einem Stofftiervertreter“! Sie kriegt viel Verachtung in dieses Wort.

Der Film ist in Bremen gedreht worden, aber er könnte überall spielen: Wohnungen, Straßen, Autos, Bürgersteige, Krankenzimmer. Der zusätzliche Aufwand, Drehgenehmigungen und Absperrungen für öffentliche Räume durchzusetzen, war für die überanstrengte Crew zu viel. Das ist schade, aber nicht schlimm.

Manchmal wirken Szenen gespielt, meistens nicht. Alle Darsteller sind Laien, sind echte Schifferin oder Imbiß-Verkäufer. Selten ist der Ton zu undeutlich, vielleicht unvermeidlich, wenn Jugendliche stundenlang Mikro-Angeln halten müssen.

Regisseurin und Produzentin Dagmar Gellert hat den Film mit der inzwischen in viele Winde zerstreuten Gruppe hauptsächlich an Wochenden gedreht und geschnitten, sehr wenig Geld und viel Unterstützung bekommen: Friedrich Thein mischte und frischte den Ton, Turtle-Movies produzierte die Bänder in „Betacam SP“-Fernseh-Qualität, Uli Beckerhoff komponierte und spielte seine erste Filmmusik, die die ZuschauerInnen an die Hand nimmt. 32.000 Mark hat Dagmer Gellert aus Brüssel eingeworben, sage und schreibe die gleiche Summe privat vorfinanziert. Im übrigen ist ihr dringend nach „angemesseneren Produktionsbedingungen für einen möglichst authentischen Bremer Jugendfilm“ zumute. Susanne Paas

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