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Josef Hattig: In Bremen wird zuviel verwaltet

■ Gespräch mit Josef Hattig, dem neuen Handelskammer-Präses, über Unternehmer, Politik und die Frauen

taz: Es wird in Bremen oft beklagt, daß es so wenig selbständige Unternehmer gibt. Die Tendenz zu den Filialisten dominiert. Warum sind Bremer Unternehmer so wenig erfolgreich?

Josef Hattig: Das eine will ich mit dem anderen nicht verbinden. Ob eine Stadt zum Zentrum zentraler Wirtschaftsorganisationen wird, hängt von verschiedenen Gegebenheiten ab, auch davon, wie attraktiv diese Stadt politisch, wirtschaftspolitisch, auch geographisch ist...

Hamburg liegt nicht weniger weit nördlich.

Hamburg hat aufgrund seiner Größe und der geographischen Nähe zu den neuen Bundesländern eine andere, kurzfristig bessere Position. Sie müssen auch die historischen Gesichtspunkte berücksichtigen. Als die Industrialisierung in Deutschland begann, war das Stadtgebiet so klein, daß hier keine Industrie stattfinden konnte. Die erste Industriealisierungswelle ist so an Bremen vorbei gegangen.

Hamburg signalisiert: Boomtown. Dagegen Bremen: Wirtschaftsförderung hie, Schuldenberg da, EG-Zulage wirtschaftsschwache Region... Die bremische Wirtschaft signalisiert: Uns wird nicht genug geholfen, wir sind am Tropf...

Dies nehme ich zunächst einmal auf, kritikbereit. Es ist etwas daran, daß Bremen eine Art von Introvertiertheit entwickelt hat, die gelegentlich auch als Larmoyanz verstanden oder mißverstan

Josef Hattig, Geschäftsführer von Beck & Co, neuer Präses der HandeslkammerFoto: Falk Heller

den werden kann. Akzeptiert. Wir als Kammer wollen deutlich machen, daß Bremen ein Wirtschaftsstandort mit Zukunft ist. Wegen des Hafens, deswegen ist die Außenweservertiefung wichtig. Aber auch auf anderen Gebieten. Zum Beispiel kommen 17 Prozent aller Beschäftigten und 25 Prozent des Industrie-Umsatzes in Bremen aus der Nahrungs- und Genußmittelindustrie. Wir haben zu viel über Werften und Strukturkrise geredet. So gesehen stimme ich zu: Bremen sollte sich selbstbewußter darstellen.

Es gibt aus Kreisen der Wirt

hier das Foto von dem mann

schaft eine Initiative, die offensiv formuliert: Zu Bremen müßte ein Teil Niedersachsens hinzukommen.

Dieser Verschnitt des Reichsgaus Weser-Ems ist im Reichsinnenministerium von Herrn Dr. Frick unseligen Angedenkens konzipiert worden, das kann und darf nicht unser Ansatz im ausgehenden 20. Jahrhundert sein! Daß Bremen in dieser Zeit nicht Oberzentrum wurde, das spricht für Bremen.

Sie stehen zu dem Bundesland Bremen?

Ohne seine Selbständigkeit wäre

Bremen weniger, eine Provinzstadt in einem Flächenstaat.

Ein anderer Grund ist der föderal-historische: In der Bundesrepublik sind die Länder nach dem letzten Weltkrieg vielfach aus Nützlichkeitserwägungen neu zusammengesetzt worden. Es gibt nur noch drei Länder, die historische Qualität haben: Bayern und die beiden Stadtstaaten. Föderalismus ist mehr als eine ausgeglichene Kassenlage.

Die bremische Selbständigkeit hängt auch stark an seiner Wirtschaftskraft...

So ist es.

Es hat Bemühungen gegeben, das Asien-Geschäft zu fördern. Mit viel staatlichem Geld. Es gibt ein imposantes Gebäude, World Trade Center, da sind Korbflechter, Büros stehen leer — warum?

Zunächst ist die Frage an die Politik zu richten. Die Bremische Wirtschaft ist engagiert, den Platz Bremen von seiner Image- Komponente her zu fördern. 50 Prozent hängen bei der Wirtschaft vom Ansehen ab, das ist die Image-Komponente.

Was wurde falsch gemacht?

Die Managementqualität ist verbesserungsfähig. Ich gehe davon aus, daß die angestrebten Organisationsformen bei der Wirtschaftsförderung eine hinreichende, qualifizierte Managementtätigkeit zulassen wird. Überhaupt ist das ein Problem dieses Stadtstaates: Gelegentlich wird in einer Abstraktion geredet, anstatt die kurzen Wege und die kurzen Informationsqualitäten so zu nutzen, daß daraus auch erfolgreiche Managementarbeit wird. Hier wird zuviel verwaltet und Verwaltung ist immer in der Gefahr, Selbstzweck zu werden.

Und damit bin ich direkt beim Asia-Center. Wenn man sich schon einen Namen besorgt, „Word-Trade-Center“, der viel kostet, dann muß man auch von innen heraus solche Gestaltungsherausforderungen annehmen.

Ein anderes Beispiel: die Brem-Tec. Gab es nicht genügend bremische Unternehmen, die diese Chance der Selbstdarstellung wahrnehmen wollten?

Die war konzipiert für eine ganze Region. Im Moment wird versucht, sie länderübergreifend zu gestalten, Stichwort „Interregio“. Man sollte die BremTec nicht totsagen, wie Sie es tun.

1992 findet keine statt.

Ja, aber das liegt auch daran, daß sie umziehen soll. Ich will das nicht gesundbeten, nur: Wir wollen sie durch holländische Teilnehmer mit tragen lassen.

Was ist mit bremischen Firmen, Vulkan, Atlas Elektronik?

Es ist ein generelles Problem der Messen, daß sie hinreichend ihr Klientel motivieren. Die Kosten der Beteiligung an einer Messe sind beachtlich. Wenn Bremen eine BremTec entwickeln will, die nicht nur im eigenen Saft schmort, dann muß man eine klare Zielplanung und das entsprechende Marketing haben.

In der Vollversammlung der Handelskammer sitzen nur Männer. Wie kommt das?

Wie es kommt? Es steht jedenfalls in keiner Satzung, daß es so sein soll. Es ist ein tradiertes Ergebnis. Die bremische Gesellschaftsstruktur ist sehr maskulin, da brauchen Sie sich nur manche Feste anzusehen. Daran ist manches sehr liebenswert, manches vielleicht auch mißverständlich. Ich hätte überhaupt keine Probleme, Unternehmerinnen in die Willensbildung der Handelskammer einzubinden. Hier wird ja niemand berufen, hier wird man gewählt, eine Firma — eine Stimme. Aber wir sind aufgefordert, darüber nachzudenken. Int: K.W.

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