piwik no script img

DIE FÜNFTE GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart

Die Medienbranche hat berechtigten Grund zur Zukunftsangst. Denn die Flut von neuen Zeitschriftentiteln basiert keineswegs auf der Ausweitung der verschiedenen Leserschaften, sondern hat seine Ursache in der bisher explosionsartig zulegenden Werbewirtschaft. Genauso wie die neuen Melkkühe der Medienkonzerne, die privaten Fernsehstationen, die wohl bald (Sat.1) oder schon jetzt (RTLplus) schwarze Zahlen schreiben. Da müssen Meldungen von Werbeverboten für ganze Branchen, aber auch Zahlen über eine steigende Werbeclip- Unlust der TV-Gucker (im heutigen Spiegel: „Die Werbung im Fernsehen nimmt dramatisch zu. Doch die Wirkung der TV-Spots läßt nach.“) die Medienplaner stark verunsichern. Quick jedenfalls will sich das lukrative Anzeigengeschäft nicht von irgendwelchen Gesundheitsfanatikern kaputtmachen lassen und „...bat Harald König vom Verband der Zigaretten-Industrie um Aufklärung...“. Demnächst fragt der Münchner Billig-'Stern‘ wahrscheinlich einen Zuhälter zum Thema „Liebe und Fairneß“.

Bei dem östlichen 'Bild‘-Konkurrenten 'Super‘, bei dem allerlei gescheiterte West-Existenzen dem dumpfen Ostler die Welt erklären, schreibt auch ein Doppelagent, wie die Zeit bei ihrer Kommentierung der Stasi-Vorwürfe gegen Günter Wallraff zu berichten weiß: „Enttarnt hat den Miesepeter dankenswerterweise Heinz van Nouhuys. Von ihm heißt es, er schreibe, wie er Auto fahre, nie unter zwei Promille. Nouhoys kennt sich aus, darf man ihn doch einen ,Doppelagenten‘ nennen.“ Die Information bezieht sich auf ein Urteil, das einst der 'Stern‘ errang. Seitdem darf die Illustrierte behaupten, der flexible Journalist hätte gleichzeitig im Sold östlicher und westlicher Dienste gestanden.

Aber auch außerhalb seiner Super-Aufklärung über alles, was links von ihm steht (also fast alle), beschäftigt sich der Mann mit dem Bedrucken von Papier. Einst erstand er die deutsche Lizenz des französischen Männermagazins 'lui‘ und streute zwischen allerlei Nacktes etwas für den gehobenen Geschmack („Savoir Vivre“) — der Erfolg war nicht das, was man „überwältigend“ nennt. Und die Lizenz ist er auch los.

Heute versucht sich Nouhuys an Zeitgeistigerem mit Newmag, was soviel wie 'Neues Magazin‘ heißen soll und sich im wesentlichen von 'lui‘ durch die Abwesenheit von „rosa Schweinchen“ (Nouhoys über Nacktmodelle) auszeichnet. Sein verlegerisches Credo allerdings darf auch in 'Newmag‘ nicht fehlen: „Ficken für den Frieden“ (Headline S. 118).

Überhaupt scheint „Zeitgeist“ jetzt was für alte Männer zu werden. Neuer Chefredakteur von Tempo beispielsweise wird der wegen anhaltender Erfolglosigkeit geschaßte Ex-Chef des 'Stern‘, Michael Jürgs. Dann werden wir sicherlich auch wieder weniger über die „Schwarze- Armee-Fraktion“ lesen, als welche 'Tempo‘-Kolumnist Maxim Biller („100 Zeilen Haß“) die Kirchenreformer wie Eugen Drewermann zu denunzieren trachtete, und auch weniger darüber, „Wie die Medien das Entsetzen vermarkten“. Und dafür mehr über das schreckliche Leben und den grausamen Tod der Romy Schneider. Über dieses wichtige Anliegen ließ sich Jürgs nämlich gerade in einem Buch und einer Vorabserie in 'Bunte‘ aus.

Steinbach listig: Der Jahreszeiten-Verlag ist ein umweltfreundlicher. Jetzt praktizieren sie gar das Journalisten-Recycling.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen