: Ein Zoo voller Gift in Bitterfeld
Bundesumweltminister Klaus Töpfer kündigt Sonderabfallabgabe für die Altlastensanierung an ■ Aus Wolfen Bettina Markmeyer
Auf der ersten Bitterfelder Umweltkonferenz in Bitterfelds Nachbarstadt Wolfen warnten Wissenschaftler gestern, daß neben den im Kreisgebiet flächendeckend erhöhten Dioxinwerten ein „ganzer Zoo von Schadstoffen“ zu einer zusätzlichen Gefährdung für die Bevölkerung führen könnte.
Insbesondere sind in den Uferbereichen und Überschwemmungsgebieten der Mulde neben hohen Dioxinwerten extrem hohe Arsenkonzentration von über 300 Milligramm pro Kilogramm Boden bzw. Flußsediment gemessen worden. Während die teilweise völlig dioxinverseuchten Werksgelände der Chemiebetriebe zumindest gesperrt werden könnten, solange nicht saniert werde, müßten die öffentlich zugänglichen Flächen dringend genauer untersucht, ihre Nutzung eingeschränkt und vorrangig saniert werden.
Bundesumweltminister Töpfer hatte zur Eröffnung der Konferenz am Mittwoch erneut eine Sonderabfallabgabe angekündigt, die zu 40 Prozent für die Altlastensanierung in den neuen Bundesländern verwendet werden soll. Neuansiedlungen, so Töpfer weiter, sollten nicht auf der grünen Wiese geplant werden, während kontaminierte Flächen liegenblieben. Ein Viertel des Geländes der beiden Chemiebetriebe Chemie-AG in Bitterfeld und der Wolfener Filmfabrik könnte, da es nur relativ schwach belastet sei, sofort für Neuansiedlungen genutzt werden. Der Magdeburger Umweltminister Wolfgang Rauls forderte eine der Ruhrkonferenz von 1968 vergleichbare Bitterfeld-Konferenz, um gemeinsam mit Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden auf den Strukturwandel reagieren zu können.
28.000 Altlastenflächen in der Ex-DDR
Dresden (dpa) — In Ostdeutschland gibt es nach Erhebungen der Landesumweltbehörden 27.766 Altlastenverdachtsflächen, von denen rund 2.500 als sanierungsbedürftig eingestuft worden sind. Damit seien allerdings nur etwa 60 Prozent aller geschädigten Böden erfaßt, sagte der Direktor des Oberbergamtes Nordrhein-Westfalen, Helmut Czech, auf dem Umweltsymposium „Altlasten in den neuen Bundesländern“ am Donnerstag in Dresden. Die Verursacher könnten meist nicht mehr festgestellt werden. Voreigentümer, Besitzer oder Erwerber von Altlastengrundstücken könnten jedoch nach dem Umweltrahmengesetz der DDR nur noch bis Ende März von der Haftungsverpflichtung freigestellt werden.
Nur 13 der bis Ende Dezember in Ostdeutschland gestellten 2.162 Freistellungsanträge seien bisher positiv beschieden worden, sagte Czech. Das bedeute, daß in diesem Fall die Kosten der Sanierung von Ländern oder Kommunen getragen werden müssen.
Besonders problematisch seien radioaktive Bergbaualtlasten und die verlassenen Liegenschaften der ehemaligen Sowjetarmee. Rund 1.200 Quadratkilometer radioaktiv belastetes stillgelegtes Wismutgelände seien heute im Besitz ostdeutscher Kommunen.
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