: Der Job frißt frau auf!
■ Betr.: „Frauensicht eindeutig in die Politik einbauen“ - Interview mit Waltraud Schoppe, taz Bremen v. 22.2.92
Was Waltraud Schoppe am Schluß des Interviews Sabine Uhl als Frauensenatorin rät, nämlich Frauen-Spiegelreferate in allen senatorischen Ressorts einzurichten, kann ich als zuständige Mitarbeiterin (mit feministischer Biografie) für „Frauen und Kultur“ in der Kulturbehörde nur unterstreichen, denn ausschließlich über eine Arbeit „vor Ort“ sind Veränderungen aus Frauensicht möglich.
Allerdings müßten diese Referate tatsächlich referatsmäßig ausgestattet sein, d. h. über personelle und finanzielle Kapazitäten verfügen wie die anderen Referate und nicht nur auf dem Papier bzw. im Behördentelefonbuch stehen. Dieses ist auch wichtig, um innerhalb der Behördenhirarchie, in der Frauenaspekte nicht besonders hoch angesiedelt sind, ernstgenommen zu werden und KollegInnen immer wieder mit der Frauensicht konfrontieren zu können.
Ich habe den Arbeitsschwerpunkt (kein Referat!) „Frauen und Kultur“ als Abgeordnete Lehrerin rund zwei Jahre lang aufgebaut und betreut und zwar als „Ein-Frau-Betrieb“. Die zunächst versprochene halbe Bürokombikraft (Kostenpunkt: DM 30.000 im Jahr) für mein Arbeitsfeld konnte nicht eingestellt werden, die Schreibkapazität ist bei uns ohnehin viel zu eng. So wurde ALLES — vom „Einmischen“ in andere Referate, Entwickeln von Konzepten, Beraten und Betreuen von Projekten, Erstellen von Deputationsvorlagen über die Kooperation mit anderen Institutionen und Ressorts bis zum Aufbauen von Ausstellungen sowie Tippen und Eintüten von Briefen von mir allein geleistet und konnte nicht delegiert werden. Tägliche Arbeitszeit: ca. 10 Stunden (ohne Überstundenvergütung, da „Grauzone“), dazu jede Menge Termine am Wochenende und abends. Dies alles übrigens zum ganz normalen Lehrerinnengehalt ohne „Extras“.
Nach zwei Jahren habe ich mich jetzt trotz allerlei erkennbarer „Fortschritte“ (z. B. höhere Projektmittel, kleiner Haushaltstitel , teils gute Zusammenarbeit mit anderen Referaten und Institutionen) in den Schuldienst zurückbeworben, weil ich diese Form von Selbstausbeutung weder mir noch meinen Kindern gegenüber und auch nicht politisch vertretbar finde. Meine wiederholten Apelle an meinen Vorgesetzten, die Kultursenatorin, die Frauensenatorin und den Personalrat, für eine arbeitsgerechte, bessere personelle Ausstattung zu sorgen, verhallten fruchtlos: „Stellenstop!“.
Ich kann aus eigener bitterer Erfahrung feministisch engagierte Frauen nur warnen, ähnliche sogenannte „kostenneutrale Lösungen“, d. h. im Klartext extrem schlechte Rahmenbedingungen für ihre Arbeit, zu akzeptieren, denn ihre Energie verschleißt sich in den Tücken des Büroalltags, wo kaum sehr schnell etwas zu bewegen ist. Dazu kommen erschwerend die sehr hohen eigenen Ansprüche und die von außen, möglichst schnell etwas zu verändern, denn der Nachholbedarf im Frauenbereich ist mehr als offensichtlich.
Ohne kooperativen Austausch mit engagierten Mitarbeiterinnen „vor Ort“, ohne Entlastung von einfacheren Verwaltungstätigkeiten bedeutet die ständig notwendige produktive Einmischung eine nervliche Zeitbombe für den eigenen Körper und einen Verlust an privater Lebensqualität: Der Job frißt frau auf!
Schon beim Einstellungsgespräch sollte unter den jetzigen bremischen Rahmenbedingungen klar sein, daß nur ein weiblicher Workaholic mit Haushaltshilfe (Für die notwendige Regeneration nach 23 Uhr) und kinderlos die Kriterien für solch eine Frauenstelle im öffentlichen Dienst erfüllt...
Ingrid Löwer
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