Leiche unterm Holunderbusch

■ Unbekannter Toter lag über drei Jahre im Schloßpark

Charlottenburg. Die braune Teppichrolle unter dem ausladenden Holunderbusch im hintersten Winkel des Schloßparks Charlottenburg hatte jahrelang vor sich hingeschimmelt, ohne daß jemand von ihr Kenntnis nahm. Kein einziger der zahllosen Besucher, die an schönen Wochenenden 30.000 und mehr zählen, stieß von den königlichen Parkwegen ins dichte Unterholz vor. Ebensowenig die Gärtner, die nur den »Intensiv-Bereich« — das Zentrum der Grünanlage — pflegen. Selbst die Stadtstreicher, die im Sommer gern im Gebüsch an der S-Bahn ihr Lager aufschlagen, interessierten sich für die Teppichrolle nicht. Erst ein Vater, der mit seinem neunjährigen Filius am vergangenen Sonntag durchs Unterholz kroch, ging der Sache auf den Grund und machte einen grauseligen Fund. In dem Teppich war eine Leiche verschnürt, die schon bis aufs Skelett verwest war.

Die Identität des Toten ist noch nicht geklärt. Die 6. Mordkommisson hat die Ermittlungen aufgenommen. Nach der ersten gerichtsmedizinischen Untersuchung steht fest, daß es sich um einen etwa 20- bis 40jährigen Mann handelt, der einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Vermutlich wurde auf seinen Schädel mit einem stumpfen Gegenstand eingeschlagen. Aufschluß über die Identität erhofft sich die Kripo durch die Stiefel und eine schmale goldumrandete Brille, die bei dem Toten gefunden wurden. Eine Anfrage bei der Vermißtenstelle der Polizei zeigte bislang noch kein Ergebnis. Der Leiter Hans-Jürgen Knobel erklärte, daß man zur Zeit zehn Fälle von Männern der besagten Altersgruppe untersuche, die in den letzten 15 Jahren in Berlin als vermißt gemeldet worden seien.

Für den Leiter der 6. Mordkommission, Conrad Zehnpfenning, steht fest, daß der Mann mindestens drei Jahre tot ist. Daß der oder die Täter den Teppich von Süden her über den langen Weg durch den Schloßpark geschleppt haben, glaubt Zehnpfenning nicht. Er geht eher davon aus, daß die Leiche bei Nacht vom Tegeler Weg über die S-Bahn-Brücke in das Gebüsch geschafft wurde.

Die Gärtner des Schloßparks waren gestern baß erstaunt, daß der Tote mindestens drei Jahre im Schloßpark gelegen habe. Aber für die Böschung auf dem Trümmerberg sei man nicht zuständig. Ein alter Arbeiter stellte fest, daß dies mittlerweile der vierte Tote in seiner 19jährigen Dienstzeit sei. »Einer hat sich da drüben aufgehängt, eine Frau hat sich verbrannt, und einer ist in den zugefrorenen Teich gesprungen und unter dem Eis ertrunken.« plu