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Neuer Schlag gegen Algeriens Islamisten

■ Algerisches Gericht verbietet „Islamische Heilsfront“/ Verbotsantrag kam vom Innenministerium der Putschistenregierung/ Berufung innerhalb einer Woche möglich/ Noch keine Stellungnahme der FIS

Algier (ap/taz) — Mit dem Verbot der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) hat die algerische Junta gestern erneut einen schweren Schlag gegen die Bewegung der Islamisten geführt. Nach Angaben von Juristen entschied das Verwaltungsgericht von Algier gestern, die Partei für aufgelöst zu erklären und damit einem Antrag des Innenministeriums vom 9. Februar zu folgen. An diesem Tag hatte der „Oberste Staatsrat“ die Verhängung des Ausnahmezustandes im ganzen Land bekanntgegeben, der für ein Jahr in Kraft bleiben soll. Vorausgegangen waren Demonstrationen der Islamisten gegen den Abbruch der ersten freien Parlamentswahl in Algerien, bei der die „Islamische Heilsfront“ die meisten Stimmen erhalten hatte.

In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hatte der Staatsanwalt die FIS als verfassungswidrig eingestuft. Es hatte auf eine Bestimmung der Verfassung verwiesen, wonach Parteien sich nicht ausschließlich auf Religion oder Rassenzugehörigkeit stützen dürfen. Es war dieselbe Verfassungsbestimmung, nach der die FIS 1989 neben der alleinregierenden Staatspartei FLN als Partei zugelassen wurde, nachdem die Regierung aufgrund einer Wirtschaftskrise und zunehmender Unruhen unter Druck geraten war. In dem Verwaltungsgerichtsverfahren beschuldigte das Innenministerium die Partei außerdem, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Gegen das Verbotsurteil kann die Partei innerhalb von einer Woche Berufung beim Obersten Gerichtshof einlegen.

Reaktionen auf das Verbot lagen bis zum Redaktionsschluß kaum vor. Der frühere algerische Staatschef Ahmed Ben Bella bezeichnete den Gerichtsbeschluß als „schlechte Entscheidung“. Dennoch glaube er nicht, daß es zu einem Bürgerkrieg kommen werde. Die provisorische Führung der FIS, deren Spitzenpolitiker während der gnadenlosen Jagd der Junta auf die Islamisten während der letzten Wochen fast alle verhaftet wurden, nahm zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts zunächst nicht Stellung. Am Montag hatte die Islamisten-Partei für den Fall ihres Verbots vor einer unberechenbaren Entwicklung gewarnt. Die Erklärung, in der Algerien „eine unsichere Zukunft“ vorausgesagt wurde, trug die Unterschrift des FIS-Sprechers Abderazak Radjam, der ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

Die FIS gewann bereits während der letzten Jahre vor allem unter jugendlichen Arbeitslosen und den Bewohnern von Armenvierteln Zehntausende von Anhängern. Schon bei den Kommunalwahlen, die der Legalisierung der Partei folgten, konnten die Islamisten 1991 in den meisten Rathäusern auf Anhieb absolute Mehrheiten gewinnen.

Nach der Verhängung eines Ausnahmezustands im Sommer vergangenen Jahres — Anlaß war ein von der FIS ausgerufener Streik — folgte im Dezember die erste Runde der Parlamentswahl, bei der die FIS 188 von 231 Sitzen erhielt. Bei dem für den 16. Januar angesetzten zweiten Wahlgang hätten der Partei lediglich 28 Mandate zur absoluten Mehrheit gefehlt. Wenige Tage zuvor zwang die Armeeführung jedoch Staatspräsident Chadli Bendjedid zum Rücktritt und bildete einen „Obersten Staatsrat“, der den zweiten Wahlgang schlicht absagte.

Daraufhin kam es vor allem während der moslemischen Freitagsgebete zunehmend zu blutigen Unruhen, obwohl die FIS-Führung ihre Anhänger zu Zurückhaltung aufgerufen hatte. Am 7. November eskalierten die Zusammenstöße zu Straßenschlachten im ganzen Lande, bei denen es viele Tote und Verletzte gab.

Während einer wochenlangen Verhaftungswelle wurden nach offiziellen Angaben 5.000 Menschen in fünf Internierungslager in der Sahara gebracht. Die „Islamische Heilsfront“ gab die Zahl der Inhaftierten mit 30.000 an. Angehörige von ihnen konnten am Dienstag erstmals die Gefangenen besuchen. Das staatliche Fernsehen zeigte die Ankunft von Verwandten im Wüstenlager Ouargla, 800 Kilometer südlich von Algier. Zur Erkundung der Verhältnisse in den Internierungslagern wurde am Mittwoch auch eine Delegation der Algerischen Menschenrechtsliga erwartet.

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