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Wie Tom Dracula Doktor wurde

■ „Ich und Du — Leben wie in Afrika?“ Eine Ausstellung zu einem einmaligen Projekt

„Ein Schutzschatz oder einn Glücksschatz“ Foto: Jörg Oberheide

Im Frühjahr letzten Jahres fand im Überseemuseum ein in Deutschland einzigartiges Projekt statt: Geistigbehinderte und

Nichtbehinderte beschäftigten sich gemeinsam mit dem Thema Afrika. „Es gab eine Menge Ängste zu überwinden.“ erzählt Eva

Maria Strobel, eine der beiden Leiterinnen des Projektes. „Viele der Behinderten der einen Gruppe waren viele Jahre in Blankenburg in der geschlossenen Anstalt für nicht mehr Therapierbare und praktisch überhaupt nicht ansprechbar. Nur sehr langsam konnten wir sie an uns und das Haus gewöhnen.“

Kontakt wurde auf sinnlicher Ebene hergestellt. „Kunst muß durch den ganzen Körper gehen“. Mit in der Gruppe waren fünf StudentInnen der Behindertenpädagogik aus Bremen. Die zweite Gruppe bildeten Schüler der Jan- Reiners-Schule für körperlich und geistig Behinderte zwischen 18 und 25 Jahen sowie vier Gymnasiastinnen von 16 bis 17 Jahren.

Das Projekt durchlief mehrere Phasen. Zehn Termine, jeweils einer wöchentlich standen zur Verfügung. Am Anfang stand die Selbsterfahrung: „Zum Ich „ hieß die Einleitung. Farben wurden durch bunte Seidentücher vorgestellt, die jeder befühlen konnte. So wurde die Lieblingsfarbe ermittelt. „Behinderte brauchen die sinnliche Erfahrung , um etwas besser begreifen zu können,“ so Eva-Maria Strobel. Die Lieblingsfarbe diente anschließend als Hintergrundfarbe für ein Selbstportrait. „Zum DU“, das hieß den anderen Kennenlernen. Jeweils ein Behinderter und ein Nichtbehinderter sollten sich gegenübersitzen und anschauen. Der Körper des anderen sollte wahrgenommen werden und danach wurde sich gegenseitig gemalt.

Sich mit dem Fremden beschäftigen: eine Phantasiereise nach Afrika, das Ausprobieren afrikanischer Gebrauchsgegenstände aus der Afrikaaustellung , das Basteln mit Abfallmaterialien und Bedrucken von Stoffen mit afrikanischen Motiven-hierbei entstanden die interessantesten Ausstellungsgegenstände. So zum Beispiel Dr. Tom Dracula — ein Talismann mit Zähnen aus Nägeln und Metallhaken. Oder „Der Mann“ — eine Figur mit Kopftuch, Schleife und einem Stein als Phallussymbol.

Das Ergebnis des Projektes ist jetzt bis zum 31. März im Überseemuseum zu bestaunen. Dabei haben die Organisatorinnen besonderen Wert darauf gelegt, die Entstehungsgeschichte der Ausstellung zu dokumentieren. Susanne Epple

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