: Besuch im Internierungslager Ouargla
■ Regierungsnahe algerische Menschenrechtsliga bezeichnet Verhältnisse im überfüllten Camp als „schwierig“
Algier (afp/taz) — Die algerische Liga für Menschenrechte (LADH) hat am Montag die Lebensbedingungen im algerischen Internierungslager Ouargla 800 Kilometer südlich von Algier als „schwierig“ bezeichnet. Vertreter der Organisation hatten dieses Lager in der letzten Woche besuchen dürfen.
Der Präsident der Liga, Youcef Fathallah, sagte vor Journalisten, in Ouargla befände sich eines von fünf in der Sahara eröffneten Internierungszentren. Die anderen befänden sich in Reggane, Salah, Illizi und Timimoun. Die Gefangenen, die sich im Inneren des Lagers frei bewegen könnten, wüßten in den meisten Fällen nicht, warum sie festgenommen worden seien und hätten keinen offiziellen Bescheid für ihre Internierung erhalten. „Es handelt sich um Gefangene aus Überzeugungsgründen“, erklärte der Generalsekretär der Liga, Rezzag Bara, „sie müssen sofort freigelassen werden.“
Fathallah berichtete, in dem für 600 bis 800 Personen vorgesehenen Lager, das von der Armee geführt werde, seien zur Zeit 2.200 Menschen untergebracht. Nicht bei allen Gefangenen handele es sich um Mitglieder oder Anhänger der Islamischen Heilsfront (FIS), die am vergangenen Mittwoch verboten wurde. Auch „300 bis 400 Intellektuelle“, die den Islamisten nicht nahestehen, seien dort inhaftiert: Studenten, Universitätsprofessoren, Gymnasiallehrer, Rechtsanwälte, Ärzte und Ingenieure.
Ein Mitglied der Delegation, der Arzt Mourad Boualga, teilte mit, in den winzigen Zellen seien sechs bis sieben Personen untergebracht. Andere schliefen in Zelten. Die sanitären Einrichtungen seien „unzureichend“ und es fehle an Wasser. Der Rechtsanwalt Jamil Chelgam berichtete, wenn die Überfüllung der Lager anhalte, sei mit dem Ausbruch von Seuchen zu rechnen. Ein anderes Mitglied der Delegation bezeichnete die Lebensmittelversorgung der Gefangenen als „knapp über der Unterernährungsgrenze“.
Der Vorsitzende der Liga, Fathallah, sagte, zwar habe sich kein Gefangener über Mißhandlungen im Internierungslager von Ouargla beklagt, aber alle hätten angegeben, bei ihrer Festnahme mißhandelt worden zu sein. Einer der Inhaftierten berichtete, durch Elektroschocks gefoltert worden zu sein, einem anderen wurden die Finger gebrochen.
In ihrem Bulletin 'Mimbar El Djoumoua‘ vom Freitag hatte die FIS berichtet, mehrere Personen seien in den Internierungslagern gestorben. Einige Familien von Gefangenen sagten gegenüber 'afp‘, sie hätten bei einem vom Präfekten genehmigten Besuch im Lager Ouargla keine Spuren ihrer Verwandten gefunden, die dort angeblich festgehalten würden.
Die LADH (Ligue Algerienne des Droits de l'Homme), deren Delegation das Lager in Ouargla besichtigte, ist eine von zwei algerischen Menschenrechtsorganisationen. Sie gilt als „der Regierung nahestehend“ und wurde 1987 von dem Rechtsanwalt Ali Haroun gegründet, der heute eines der fünf Mitglieder des „Algerischen Hohen Staatsrates“ ist. Die zweite algerische Menschenrechtsorganisation (LADDH — Ligue Algerienne de Deforce des Droits de l'Homme) hat sich nicht um eine Besichtigung der Internierungslager bemüht. Sie wolle nicht „zum Komplizen“ gemacht werden, indem sie sich von der Armee durch ausgesuchte, halbwegs erträgliche Teile der Lager führen lasse. Die Verhaftung Tausender von Algeriern sei grundsätzlich zu kritisieren, die Lager seien sofort aufzulösen. Diese Liga wurde nach 1988 vom Rechtsanwalt Ali Yahia gegründet, einem Demokraten, der sich gegen die Politik der FIS stellt, aber für ihre Rechte als politische Organisation eintritt. Er gehört zu den Anwälten der FIS, die Berufung gegen das Verbot der Partei eingelegt haben.
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