: Nierentische für „Clivia“
■ 31 Jahre Hans Lukas: Bühnenbildentwürfe im Stadttheater Bremerhaven
31 Jahre lang war Hans Lukas der Bühnenbildner des Bremerhavener Stadttheaters. Zwei Jahre nach seinem Tod hat ihm das Theater jetzt eine Ausstellung gewidmet, mit der einige seiner Entwürfe für alle drei Sparten der Bremerhavener Bühne präsentiert werden. Aus 350 im Nachlaß gefundenen Blättern hat die Kunsthistorikerin Elke Grapenthin etwa 50 ausgewählt. Sie dokumentieren die Arbeit eines virtuosen Künstlers, der es von 1952 bis 1982 mit Dutzenden von Regisseuren zu tun hatte und mit ebensovielen Stückkonzeptionen und unterschiedlichen Grundstimmungen, die seinen Bildern eingeschrieben sein sollten.
Das Heitere lag ihm am meisten, in der Operette zeigte er, an welchem Jahrzehnt sein Herz hing: Es sind die Farben und Formen der 50er Jahre, die unverkrampft und verspielt in den meisten — auch später gezeichneten — Entwürfen sichtbar werden. Der geborene Österreicher hatte 1946 als Dekorationsmaler bei den amerikanischen Streitkräften in Cuxhaven angefangen, bevor er ans frisch restaurierte und wiedereröffnete Bremerhavener Stadttheater gerufen wurde. Dem damals noch unbekannten Bühnenbildner Hans-Heinrich Palitzsch war kurz vorher gekündigt worden, weil in Bremerhaven fast niemand seine gegen jedes Illusionstheater gerichteten Bühnenbilder schätzte. Hans Lukas stellt sich auf den konservativen Geschmacks des Publikums ein und zeichnet sorgfältig ausgearbeitete
Das Heitere lag ihm, sein Jahrzehnt waren die 50er Jahre.
Entwürfe, die im harten Wiederaufbau-Jahrzehnt die Schaulust, die Lust am konkreten Detail und an schönen Dingen zufriedenstellen konnten. Seine Blätter — Mischtechnik und Montagen (mit Karton und Stoffen) — sind keine flüchtigen Skizzen, sondern filigran ausgefeilte „kleine Kunstwerke“ (Elke Grapenthin). Da findet sich für Ibsens „Volksfeind“ realistisches Wohnungsinterieur, für Anouilhs „Leocadia“ eine biedermeierliche Bank im Park mit einem Eiswagen im Stil der 50er Jahre. Gekonnt zitiert Lukas verschiedene Maltechniken, Feininger und die Impressionisten stehen Pate, in den 70er Jahren bunte Flower-Power-Muster, aber am lebendigsten bleiben die 50er Jahre: Für Nico Dostals Operette „Clivia“ gibt es Nierentische, italienische Küste mit Pavillon, Lampions und Paravent. Die gleiche Operette wurde 20 Jahre später nach Mexiko verlegt: sichtbares Zeichen dafür, daß sich die Reisegewohnheiten des Publikums verändert hatten?
Die Bühnenbild-Entwürfe, die unter erheblichem Zeitdruck mit wenig Geld entstanden, sind ein Zeitdokument für die Nachkriegsgeschichte des Stadttheaters. Bürgermeister Heinz Brandt will die Sammlung für die Stadt aufkaufen. „Es würde mich sehr betroffen machen, wenn das Werk auseinandergerissen wird.“ Das Theater sei in den 50ern kultureller Kristallisationspunkt der Stadt gewesen. Lukas' Bühnenbild-Blätter verraten etwas von diesem Glanz.
Hans Happel
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