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„Man muß den Armeniern Angst machen“

Die türkische Diplomatie in Sachen Berg-Karabach schwankt zwischen Friedensbemühungen und Nationalismus  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Der blutige Bürgerkrieg zwischen Armeniern und Aserbaidschanern in der Enklave Nagorny-Karabach sorgt für rege diplomatische Aktivitäten der Türkei. Um jeden Preis will das Land eine Ausweitung des Konfliktes zu einem großräumigen Krieg verhindern. So händigte der türkische Außenminister Hikmet Cetin auf der Außenministertagung der Nato in Brüssel seinem Amtskollegen James Baker einen 6-Punkte- Friedensplan für Berg-Karabach aus. Der UN-Sicherheitsrat solle dringend zu einem Waffenstillstand aufrufen, war darin zu lesen. Armenier und Aserbaidschaner sollten die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit beauftragen, eine Beobachterkommission zur Einhaltung des Waffenstillstandes zu entsenden. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Erdal Inönü, ein Sozialdemokrat, suchte derweil beim französischen Präsidenten Mitterrand Unterstützung. „Dies ist eine Prüfung für die KSZE.“

Für die türkische Regierung, die in diesem Frühjahr mit einer Verschärfung der bürgerkriegsähnlichen Zustände in den kurdischen Regionen rechnet, ist ein Flächenbrand im Kaukasus eine Gefahr. Gerade dadurch, daß die Türkei durch gemeinsame Sprache und Kultur mit den Aserbaidschanern wie auch mit anderen zentralasiatischen Völkern der ehemaligen UdSSR verbunden ist, hofft sie eine entscheidende Rolle bei der kapitalistischen Durchdringung zu spielen. Dabei ist vor allem Frieden und nicht Krieg gefragt.

In Kreisen des türkischen Außenmisteriums setzt man all seine Hoffnungen auf eine Einmischung der USA. Von dem politischen Druck der USA auf Armenien erhoffen sich viele eine friedliche Lösung. Grund für ihre Zuversicht zieht das Außenministerium unter anderem aus einem Zitat der türkischen Tageszeitung 'Hürriyet‘, ein Telefonat des türkischen Außenministers mit James Baker, nach Protokollen des Außenmisteriums: „Ein Waffenstillstand in Berg-Karabach ist dringend vonnöten. Der Tod von Menschen in Berg-Karabach hat in der türkischen Öffentlichkeit zu scharfen Reaktionen geführt. Der Druck in der Öffentlichkeit und im Parlament wächst. Deshalb bitten wir sie dringend, eine Initiative für einen Waffenstillstand zu ergreifen.“

Insbesondere nach dem Massaker in dem aserbaidschanischen Dorf Hocali sind die türkischen Medien vom nationalistisch-chauvinistischen Strudel ergriffen. Typisch dafür ist die außerordentliche Rede des Ex-Premiers Bülent Ecevit im Parlament, der sich mit aggressivem Nationalismus profilierte: „In Karabach gibt es Massaker. Und was macht die Türkei? Ohne eine Hand zu rühren, ruft sie den Westen zur Hilfe. Dabei benutzen mehrere westliche Staaten die Türkei als Stützpunkt, um dem Agressor Armenien Hilfslieferungen zu schicken. Die Türkei ist angesichts der Aggression Armeniens, die ihre Sicherheit bedroht, in unerklärlicher Schüchterheit und Passivität festgefahren.“ Im Namen der Regierung entgegnete der Siedlungsminister Onur Kumbaracibasi, der den Außenminister in Abwesenheit vertrat. Er verurteilte die Ansichten Ecevits als „reaktionär“. „Nicht mit Schwertern, sondern mit friedlichem Dialog ist eine Lösung zu erreichen.“ Zum Eklat kam es, als Abgeordnete der oppositionellen „Mutterlandspartei“ sich von ihren Sitzen erhoben und den Minister anschrien. „Was redest du daher? Karabach ist gefallen.“ Onur Kumbaracibasi wahrte die Fassung. „Das geht nur die aserbaidschanische Regierung etwas an.“

Sowohl die islamischen Fundamentalisten als auch die Anhänger der faschistischen MCP (Nationalistische Arbeitspartei) waren es, die mit Kundgebungen und Demonstrationen versuchten, die Stimmung aufzuputschen. Doch das endete oft mit einem Fiasko. An der Kundgebung, zu der Fundamentalisten-Chef Necmettin Erbakan in Istanbul aufgerufen hatte, beteiligten sich nur ein paar tausend Menschen. „Das Blut der Moslems fließt, erwache und erkenne den Feind“, verkündeten die Transparente.

Sorge bereitet der Regierung Süleyman Demirel, daß der türkische Staatspräsident Turgut Özal, dem laut Verfassung repräsentative Aufgaben zufallen, sich selbstherrlich in die türkische Außenpolitik einmischt. „Wegen Karabach muß man den Armeniern ein wenig Angst machen“, sagte Özal Journalisten am Rande eines Wirtschaftsforums in der westtürkischen Stadt Manisa. Entsetzt reagierte Premier Demirel auf die Worte seines persönlichen Intimfeindes Özal, den er nicht loswerden kann, weil der regierenden Koalition die Mehrheit für eine Verfassungsänderung fehlt. „Was heißt Angst machen, wo es darum geht, Blutvergießen zu verhindern. Solche Äußerungen stören den Friedensprozeß.“

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