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Die Oldies vom Friedrichspark

■ Eishockey-Playoff, Halbfinale: Die Düsseldorfer EG gewinnt mit 4:1 auch das zweite Spiel gegen den Mannheimer ERC/ SB Rosenheim gegen Preussen Berlin ebenfalls vor dem Finaleinzug

Mannheim (taz) — Als der tschechoslowakische Trainer Jiri Kochta den Mannheimer ERC im letzten Oktober übernahm, hatten die Oldie- Cracks vom Friedrichspark gerade mal Luft und Kondition für ein Drittel. In der Tabelle ging es zwischen Platz sieben und neun auf und ab, und voller nostalgischer Gefühle erinnerten sich die Eishockeyfans im immer leerer werdenden Eiskeller an die Zeit, als knapp 9.000 von ihnen dem Puck hinterherstaunten, an die Auftritte von Paul Messier, Dave Silk und Schorschi Holzmann. Als im Januar der SB Rosenheim mit einem 10:5 gen Bayern zog, spekulierten nicht wenige, ob es nicht vielleicht besser sei, ein Abstiegs-Playoff zu spielen, anstatt sich von den Kölner Haien in drei Gängen entzaubern zu lassen.

Doch dann kam Albertville, und Mannheims letzten Nationalspieler Harold Kreis ereilte die Kunde, nicht dabei sein zu dürfen. Während das Team von Doktor Bukac sein Olympiamarathon absolvierte, bereitete Jiri Kochta die Seinen auf die Playoffs gegen Köln vor. Dort sprach man indes von den Kurpfälzern als „Freilos“ und provozierte eine Trotzreaktion des MERC. In vier Matches gelang es den etwas überalterten Lilaweißen, erstmals als Vorrundensechster in das Halbfinale vorzudringen. Mannheims Eishockey war rehabilitiert, das drohende Finanzloch erst einmal gestopft.

Besonders das imponierende 7:2 gegen die Haie im vierten Spiel ließ den Halbfinalgegner aufhorchen. DEG-Trainer Hans Zach zog tief beeindruckt nach Düsseldorf und betätigte sich fortan als erfolgreicher Iglu-Exorzist, der seinen Meisterspielern die latente Angst vor den Mannheimern austrieb. Fortan war die DEG dagegen immun, das kahlgeschorene MERC-Team der Überdreißigjährigen zu unterschätzen. Im ersten Playoff hieß es denn auch 10:2.

Im maroden Mannheimer Stadion sollte das alles aber ganz anders werden. Just am 36.Geburtstag des letzten Mannheimers beim MERC, Marcus Kuhl, wollte das Team mit einem Sieg ein zweites Heimspiel erzwingen. Doch schon im ersten Drittel war es allein Beppo Schlickenrieder zu danken, daß die DEG nicht schon wieder gehörig vorgelegt hatte. Dreimal rettete er gegen Peter John Lee, ließ auch Chris Valentine scheitern und hatte zudem Schwein, als Benoit Doucet nur die Latte traf.

Das zweite Drittel hatten die Düsseldorfer dann zum entscheidenden erkoren. Udo Schmid nutzte in der 24.Minute eine Unachtsamkeit in der MERC-Abwehr zum 0:1, nur 124 Sekunden später gelang Chris Valentine in Unterzahl das 0:2. Schlickenrieder sinnierte noch über das drohende Unheil, das dann prompt über ihn hereinbrach. In der 35.Minute sorgte Andreas Brockmann für die Entscheidung: 0:3.

Im Stadion war es nun so leise geworden, daß die anwesenden Waldhof-Kicker sich an ihre eigene lärmarme Kulisse zu erinnern glaubten. Erst der Kanadier Jason Hall, im Oktober vom SC Memmingen gekommen, sorgte 14 Minuten vor dem Schluß mit dem 1:3 noch einmal für Stimmung. Doch die DEG spielte „zu kompakt, machte nur ganz wenige Fehler“, wie der verletzt zuschauende Gerd Truntschka in der Pressekonferenz meinte. Eine plausible Erklärung für das überlegen und vor allem überlegte Spiel der Düsseldorfer, die nie Angst vor einem Rückstand haben mußten, weil ein sicherer Helmut de Raaf kaum eingreifen mußte.

Als Beppo Schlickenrieder in der Schlußminute vom Eis fuhr, und der MERC in aussichtsloser Lage versuchte, das Ergebnis zu schönen, preschte Peter John Lee dazwischen, lupfte den Puck ins Mannheimer Drittel und Geburtstagskind Kuhl reckte seinen Schläger so unglücklich dazwischen, daß er die Scheibe zum 1:4 ins eigene Tor verlängerte.

Jiri Kochta vertröstete die Mannheimer anschließend im VIP-Container auf die nächste Spielzeit, wenn Rückkehrer Peter Draisaitl vom Kölner EC für mehr Tore sorgen soll, und die Rosenheimer Venci Sebek und Michael Heidt die Abwehr verstärken werden. DEG-Coach Hans Zach, der ab September auf Gerd Truntschka und Dieter Hegen verzichten muß, die beide zum Fast-Absteiger Hedos München wechseln, rechnet derweil am heutigen Abend an der Düsseldorfer Brehmstraße in der dritten Partie mit starker Gegenwehr der Mannheimer, die nun nichts mehr zu verlieren haben. Die Fehler aus den ersten beiden Spielen dürfen sie sich dann allerdings nicht erlauben. Günther Rohrbacher-List

Aufstiegsrunde zur 1. Bundesliga: Dynamo Berlin - EC Kassel 9:3, Augsburger EV - EC Ratingen 5:5, EHC 80 Nürnberg - SV Bayreuth 1:7, EC Hannover - SC Riessersee 10:2; Tabelle: 1. Berlin 20:4; 2. Ratingen 19:5; 3. Nürnberg 13:11; 4. Augsburg 12:14; 5. Bayreuth 11:13; 6. Kassel 10:14; 7. Hannover 7:17; 8. Riessersee 6:20

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