: Kurdenprozeß bald ohne Angeklagte
Nur noch ein Drittel der Angeklagten nahm am 203. Verhandlungstag des PKK-Prozesses in Düsseldorf teil/ Acht Angeklagte mittlerweile per Haftbefehl gesucht/ „BRD führt gegen uns Krieg“ ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Die Reihen der Angeklagten im Düsseldorfer Mammutprozeß gegen Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) lichten sich. Von den acht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten erschienen am Montag, dem 203. Verhandlungstag, nur noch zwei.
Gegen die übrigen erließ der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Haftbefehle. Zwei weitere flüchtige Angeklagte werden bereits per Haftbefehl gesucht.
Mit den beiden freiwillig erschienenen und vier in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten kamen am Montag nur sechs der insgesamt 18 Angeklagten. Auch die vier inhaftierten Kurden wollen künftig am Prozeß nicht mehr teilnehmen. Ihr Sprecher Selahattin Erdem kündigte zudem an, den Verteidigern werde das Mandat entzogen. Es gebe für sie nichts mehr zu tun. Erdem bezeichnete das Düsseldorfer Gericht als „Kriegsgericht“ und die Richter als Marionetten der Politik. Die Angeklagten würden „als Geiseln und Erpressungsmittel“ gegen den Befreiungskrieg in Kurdistan gehalten. Der Prozeß sei „Teil des Krieges, den die BRD gegen uns führt“. Bei diesem „ Schauspiel, das zur Verschleierung der Wahrheit inszeniert wird“, werde man nicht mehr mitmachen. Erdem forderte alle im Ausland lebenden Kurden zur Rückkehr nach Kurdistan auf. Sie sollten den dortigen „Freiheitskampf noch stärker unterstützen“ und 1992 zum Jahr „des großen Volksaufstandes werden lassen“.
Während draußen vor dem hochgesicherten Prozeßbunker etwa tausend Sympathisanten der PKK für die sofortige Beendigung des Prozesses demonstrierten, schrien die vier inhaftierten Angeklagten Parolen, so daß der Senatsvorsitzende sie — wie gewünscht — von der Verhandlung ausschloß.
Die Bundesanwaltschaft beschuldigt alle Angeklagten, Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung“ zu sein. Sie sollen als Mitglieder einer nie genau von den Anklägern definierten internen PKK-Gruppe mit der angeblichen Bezeichnung „Parteisicherheit, Kontrolle, Nachrichtendienst“ abtrünnige PKK-Mitglieder bestraft haben. Neben Vergehen wie Urkundenfälschung stehen in Düsseldorf unter anderem fünf Morde und ein Mordversuch auf der Tagesordnung. Die Anklage stützt sich im wesentlichen auf die Aussagen des „Kronzeugen“ und früheren PKK-Funktionärs Ali Centiner, der im vergangenen Jahr von einem Berliner Gericht wegen Mordes zu nur fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Seit fast einem Jahr wird der von der Verteidigung als „gekaufter, manipulierter und dubioser Zeuge“ gebrandmarkte Ex-Genosse nun schon vor Gericht vernommen. Die Verteidigung beantragte erneut die Einstellung des Verfahrens.
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