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Rot geht nicht

■ Kunst im St.-Joseph-Stift: für ganz unfreiwilliges Publikum

Helgard Warns, im Josephsstift die nebenamtliche Galeristin der Klinikflure: „Ogottogott, heißt es dann: Soviel Rot, und wir sollen noch operiert werden!“Foto: Christoph Holzapfel

Ihre Galerie liegt in einem Kellerflur, gleich bei der Bäder- und Massagen-Abteilung. Es gibt keine Fenster, stattdessen den Charme eines Klinik-Flurs: Betten werden hin und her geschoben, PatientInnen in Bademänteln eilen oder warten, BesucherInnen suchen eine Abteilung, Schwestern tragen medizinische Proben vorbei, Ärzte lassen weiße Mäntel wehen.

Wie geht das: Kunst ausstellen vor einem ganz unfreiwilligen Publikum? Seit eineinhalb Jahren testet Helgard Warns im Schwachhauser St.-Joseph-Stift, was interessant und vertretbar ist und möglichst auch noch angenommen wird — von den rund 550 PatientInnen und den 650 MitarbeiterInnen.

Trotz seiner klinischen Ausstrahlung ist der Ort nicht unmöglich, nur ist er eben keine Galerie. Es gibt viel Wand in Flur und Halle, hauseigene weiße Rahmen in Standardformaten, inzwischen auch eine Beleuchtung im Gale

hierhin bitte

die Frau, die in einem

Flur mit Gemälden

steht

rie-Standard, und sechswöchentlich wechselnde Ausstellungen, die Helgard Warns aussucht und organisiert. Seit elf Jahren betreut sie als Bibliothekarin die „Ärzte-Bibliothek“. Die Ausstellungen macht sie nebenbei, wie übrigens auch die Hauszeitung „St. Joseph intern“.

Für Helgard Warns wäre es ein Graus, „auf Häkeldeckchen-Niveau abzurutschen“. Deshalb kalkuliert sie genau, welche Kunst ihren „Galerie-Besuchern wider Willen“ gerade noch zuzumuten sei. In einem dicken Besucherbuch ist die stattliche Reihe der bisherigen Ausstellungen aufgeführt, dazu Kommentare vom Publikum. „Je positiver etwas wirkt, desto eher äußern sich die Menschen zustimmend“, ist ihre Erfahrung.

Die beste Resonanz und seitenlange begeisterte Kommentare gab es für das Projekt „Wümmewiesen“, eine unschlagbare Kombination stimmungsvoller und heimatverbundener Fotos aus allen Tages- und Jahreszeiten, kombiniert mit Gedichten von Goethe bis Hebbel: „Wintermorgen“, „Herbstbild“, „Osterspaziergang“, „Mondnacht“. Gut kam auch die Bürgerpark-Ausstellung mit alten Dokumenten und Ansichten an.

Da ist Ralf Klement mit seinen Drucken und Grafiken schon deutlich schwieriger: Linien, Netze, Farbbänder, Winkel, Kreuze, Dreiecke. Zu den schwach farbigen, auf den ersten Blick eher unzugänglichen Grafiken und Drucken hat Helgard Warns Fotos der heiteren Windobjekte von Klement gehängt: Grasbüschel hängen, flattern an großen, gebogenen Zweigen in freier Landschaft, werden schließlich vom Wind abgetragen: Einmal-Kunst.

Bilder, auf denen allzu viel Rot leuchtet, nimmt sie lieber gar nicht erst an zum Ausstellen: „Oh Gott, wenn wir so viel Rot sehen und müssen noch operiert wer

den...“ sagen dann nämlich die Leute. Bis Oktober sind die Ausstellungsplätze ausgebucht, ohne daß Helgard Warns nach KünstlerInnen suchen müßte: „Die kommen zu mir. Solange sie an der Hochschule studieren, sind ja viele ein bißchen arrogant und träumen von großen Galerien, aber nach dem Examen ändert sich das.“ S.P.

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