: Haushaltshürde genommen
■ Bremerhaven: Hauchdünne Mehrheit für Rot-Grün bei offener Abstimmung
Mit einer knappen Mehrheit von 24 Stimmen hat die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag Abend den Haushalt für 1992 verabschiedet. Von den insgesamt 48 Stadtverordneten fehlten zwei, so daß die 22 Gegenstimmen den ersten rot- grünen Erfolg nicht verhindern konnten. Wesentlichen Anteil an diesem Abstimmungsergebnis hatte die CDU-Fraktion. Sie verzichtete darauf, über den Haushalt geheim abstimmen zu lassen, und verhinderte damit, daß die schwarzen Fraktionsschafe der SPD in geheimer Abstimmung erneut die Bremerhavener Regierungsversuche lächerlich machen konnten. Zweimal hatten in der Vergangenheit bei wichtigen Abstimmungen in geheimer Wahl Sozialdemokraten gegen den eigenen Fraktionsbeschluß votiert und damit ein Ampelbündnis verhindert.
Der Bremerhavener Haushalt für 1992 hat ein Gesamtvolumen von knapp 925 Millionen Mark, von denen etwa 205 Millionen aus Bremen übernommen werden. Allein 75 % in der Rechnung von Stadtkämmerer Heinz Brandt sind die Personalkosten der Seestadt (200 Millionen), Sozialausgaben (175 Millionen) und Schuldendienste (Zinsen und Tilgung, insgesamt 135 Millionen). Weitere 65 Millionen sind für Investitionen vorgesehen. Den zu erwartenden Steuereinnahmen der Kommune in Höhe von 148 Millionen Mark stehen Schulden von 1,1 Milliarden Mark gegenüber. Bremerhaven liegt mit einer Pro- Kopf-Verschuldung von etwa 8.500 Mark an der Spitze verschuldeter Kommunen.
Trotz einer Neuverschuldung in Höhe von 14 Millionen Mark wertete Kämmerer Brandt den Haushalt als Beitrag zur Konsolidierung der Seestadt-Finanzen. Bremerhaven war in den Jahren 1989 bis 1991 ohne Nettokreditaufnahme ausgekommen.
Dem SPD-Fraktionschef Richard Skribelka zeigte der Haushalt, „daß mit der erforderlichen Sensibilität eine weitere Einsparung das Ziel ist.“ Die Neuverschuldung in diesem Jahr sei unumgänglich gewesen, „eventuelle Mehreinnahmen im Rahmen des Finanzausgleiches werden aber zur Hälfte zur Verringerung des geplanten Darlehens und für zusätzliche Investitionen verwendet." Wesentlich mehr Schwierigkeiten mit dem Haushalt hatten dagegen die Grünen als Kooperationspartner der SPD. Für sie erklärte der Stadtverordnete Harry Bohnsack: „Es ist zwar nicht die grüne Handschrift, die den Haushalt geschrieben hat, aber wir stimmen zu, weil wir uns an die Vorgabe des Finanzausschusses gebunden fühlen.“ Bereits vor zwei Wochen war der Haushalt dort mit den Stimmen von SPD und Grünen auf den Weg in die Stadtverordnetenversammlung gebracht worden.
CDU, FDP und DVU waren gegen den Haushaltsentwurf. Rolf Stindl (CDU) kritisierte vor allem die hohen Verwaltungsausgaben der Stadt. Die CDU hatte lediglich auf geheime Abstimmung verzichtet, weil sie einen von Bremen eingesetzten Stadtkommissar für die Seestadt als Konsequenz einer Blamage habe verhindern wollen.
Auch die FDP hatte gegen den Haushalt gestimmt. Ihr Fraktionsvorsitzender Ingo Kramer erklärte, daß „man mit dem Haushalt leben kann.“ Allerdings wollte die FDP die 14 Millionen Mark Kreditaufnahme nochmals aus dem Haushalt streichen, unter anderem durch die Kürzung von 400 Stellen im Öffentlichen Dienst. Entsprechende Anträge wurden aber abgelehnt.
Die DVU erklärte in Richtung des Stadtkämmerers: „Wären Sie hier als privater Unternehmer aufgetreten, würden Sie dafür ins Gefängnis wandern.“ mad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen