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Schlicht oder bunt verschnarcht

In Stuttgart präsentieren fünf Fernsehsender ihr TV-Design-Konzept  ■ Von CC Malzahn

Gucken Sie manchmal länger Werbefernsehen, als Sie eigentlich wollten? Wenn das so ist, könnte das am TV-Design des Senders liegen, den Sie gerade eingeschaltet haben. TV- Design ist der Versuch der Programmacher, ihren Sender durch visuelle Mittel von anderen abzugrenzen, ihm ein eigenes, unverwechselbares Gesicht zu geben und die Zuschauer am Schirm zu halten. Im Rahmen des sechsten internationalen Trickfilmfestivals in Stuttgart präsentieren bis zum heutigen Mittwoch fünf Fernsehsender ihre Konzeptionen: Der Musiksender MTV, die Pay-TV-Anstalt Premiere, der Kölner Privatsender RTLplus, der SWF und der spanische Sender TV-3 Barcelona.

Daß die Sender ihre Werke auf dem Trickfilmfestival zeigen, hat seinen guten Grund: „Viele Musikfilme von MTV sind Trickfilme. Animation ist allgegenwärtig, das kriegt der Zuschauer gar nicht mit“, weiß Albrecht Ade, Leiter des Festivals. Bei RTLplus gleitet der Zuschauer beispielsweise über einen Animationsfilm in den Reklameblock, die kurzen, nur ein paar Sekunden langen Streifen nehmen beim Kölner Sender die Grundmotive der Filme auf, die gerade unterbrochen wurden. Wenn zum Ärger der Zuschauer gerade ein Action-Film zugunsten von Persil-Werbung unterbrochen wurde, lodert auf dem Bildschirm beispielsweise einen Augenblick lang ein flammendes Inferno auf, bei Sex-Filmen sind im sogenannten Werbetrenner nackte Pärchen zu sehen. Beim ZDF sorgen seit Jahrzehnten die Mainzelmännchen dafür, daß die Zuschauer zwischen 17 und 20Uhr nicht auf und davon zappen, wenn die Werbung beginnt.

Auf dem Stuttgarter Festival heben sich vor allem MTV und Premiere durch ihr eigenwilliges Design von den anderen ab: MTV, weil der Londoner Musiksender wie kein zweiter Trickfilmern und Animateuren ein interessantes Betätigungsfeld bietet — und Premiere, weil die Schlichtheit und Funktionalität dieses Designs sich wohltuend vom digitalen Firlefanz anderer Fernsehsender abhebt.

MTV ist ohne Animationsfilme gar nicht denkbar, denn die meisten Videoclips sind nichts anderes als Trickfilme. Wenn Michael Jackson in seinem neuen Video Remember The Time zu Staubkörnchen zerfällt, dann ist das Computeranimation — auch wenn der Rest des Clips mit den Methoden des Spielfilms Marke Cleopatra gedreht wurde (Eddie Murphy spielt eine Nebenrolle als Pharao). Sogar das M-Logo von MTV sei nur im Hinblick auf seine Funktion als Rahmen entworfen worden, innerhalb dessen künstlerische und thematische Spielarten unbegrenzt realisiert werden könnten, rühmt sich der Musiksender in Stuttgart. Kulturkritiker und Zeitgeist-Eremiten werfen MTV oft vor, der Sender sei perfide oder volksverblödend — das aber ist ziemlich puritanisches Geschwätz. Kein Fernsehsender hat in den vergangenen Jahren soviel für den internationalen Trickfilm getan wie MTV — selbst die bizarren Produktionen der „Brothers Quay“, die in Stuttgart übrigens einen Workshop machen, werden von dem Musiksender ausgestrahlt.

Während das TV-Design von MTV ein reines Animations-Design ist, in dem selbst die Logos variabel sind, zeichnet sich Premiere durch hanseatisch schlichte Sachlichkeit aus. Der Pay-TV-Sender aus Hamburg verzichtet völlig auf Programmansagerinnen. „Gott sei Dank!“ möchte man da ausrufen, weil man die in pastellfarbene Kostümchen gezwängten Blondinen von Sat.1 jedesmal zur Hölle wünscht, wenn sie einen um Mitternacht noch den weiteren Programmablauf entgegenschreien — schließlich war man gerade so schön eingeschlafen.

Das TV-Design von Premiere wurde von keinem geringeren als Neville Brody entwickelt. In den 80er Jahren revolutionierte er das Presselayout mit seinem Design für die britische Zeitung 'The Face‘. Premiere, seit einem Jahr auf Sendung und mit inzwischen über dreihunderttausend Konsumenten versehen, hatte ein informationsorientiertes Design gesucht, „das den Zuschauern auf einfache Weise Struktur und Inhalt des Programms vermittelt“, erklärt Angelika Oplesch, Pressereferentin des Senders. Auf schwarzem Grund informiert Premiere seine Zuschauer in riesigen Lettern über das, was sie gleich zu erwarten haben. Premiere verzichtet völlig auf dreidimensionale Effekte und fliegende Logos, konzentriert sich statt dessen auf eine klare Typographie. „Wir haben ein Konzept gesucht, das sich von den übrigen völlig unterscheidet“, meint Angelika Oplesch weiter. Schließlich mußte der neue Sender sich neben zwanzig weiteren im Kabel profilieren. Und das funktioniert im Fernsehen eben nicht nur über die inhaltliche Gestaltung des Programms, sondern vor allem über Bilder.

Im informellen Wettbewerb mit den privaten TV-Stationen schnitten der Südwestfunk und der Süddeutsche Rundfunk — stellvertretend für die ARD — in Stuttgart ziemlich schlecht ab. Den „Kreativen“ der öffentlich-rechtlichen Sender gefällt es offenbar, stundenlang mit digitalen Effekten zu experimentieren. In ihre Computer und Paint-Boxes sind sie offenbar so verliebt, daß ihnen außer dreidimensionalen Experimenten auf hellblauem ARD-Grund kaum noch was Anderes einfällt. „Vor zehn Jahren“, so ein Mitarbeiter des SDR begeistert „haben wir noch mit Letraset, Farbe und Pinsel gearbeitet, heute machen wir das alles mit dem elektronischen Bleistift!“ Das Ergebnis dieser vermeintlichen Innovation ist meist informationslose Reklame für später folgende Sendungen. Oft sind sogar die graphischen Symbole oder die in den Trailern verwendeten Bilder dieselben wie bei den Privaten.

Diese Gleichheit aber führt letztendlich zur Gleichgültigkeit der Zuschauer, die abends gelangweilt durchs Programm hüpfen, bei keinem Sender hängenbleiben und irgendwann in den Videoladen laufen, um sich ihr ganz privates Programm zu gestalten. Da brüllt dann der gute alte Löwe von MGM oder Paramount, zeigt sein allzeit verschneites Bergpanorama.

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