: NS-Prozeß: Tod im Zeugenstand
■ Früherer SS-Angehöriger stirbt während seiner Zeugenaussage im Schwammberger-Prozeß
Stuttgart (taz) — Dramatischer Zwischenfall im Stuttgarter NS- Prozeß gegen Josef Schwammberger: Kurz nach Beginn seiner Vernehmung ist am Dienstag ein früherer SS-Angehöriger im Zeugenstand mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen und kurz darauf gestorben. Mit dem 79jährigen Erich Scharf sollte zum ersten Mal ein SS-Mann als Zeuge in dem seit Juni vergangenen Jahres laufenden Verfahren gegen Schwammberger aussagen. Die Verhandlung wurde unterbrochen und soll am Freitag fortgesetzt werden.
„Haben Sie Schwierigkeiten?“ Erregt springt der Vorsitzende Richter Herbert Luippold auf, als er sieht, daß der alte Mann im Zeugenstand plötzlich nach Atem ringt. Der Zeuge rudert in seinem Sessel mit den Armen und sackt schließlich in sich zusammen. „Ich bin Arzt.“ Mit diesen Worten eilt ein junger Mann aus dem Zuschauerraum dem inzwischen Bewußtlosen zu Hilfe und beginnt mit Wiederbelebungsversuchen, der Gerichtssaal wird geräumt. Nach einigen Minuten sind die Notärzte zur Stelle, können aber nicht mehr viel für den Mann tun. Kurz zuvor hatte der weißhaarige Zeuge noch festen Schrittes den Zeugenstand betreten und mit leiser, aber sicherer Stimme seine Aussage begonnen: „Name: Erich Scharf, 79 Jahre, Industriekaufmann.“ Flüssig berichtet er dem Gericht, er habe seit September 1941 in der Verwaltung des SS- und Polizeiführers in Krakau gedient und kenne aus jener Zeit auch Schwammberger. Als Scharf schließlich aussagt: „Mein Vater ist 1915 gefallen, und ich wurde als jüngster Sohn eingezogen“, unterbricht er sich selbst, greift schwer atmend nach dem vor ihm stehenden Wasserglas und bricht dann zusammen.
Zuvor hatte das Gericht den Antrag der beiden Pflichtverteidiger Schwammbergers auf Entpflichtung abgelehnt. Der Vorsitzende Richter Luippold begründete den Beschluß damit, daß die beigeordneten Anwälte, Dieter König und Achim Bächle, von Anfang an im Verfahren seien, während Schwammbergers Wahlverteidiger Blessinger den Prozeß erst seit wenigen Tagen verfolgt habe. E. Neumann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen