: Johannes Raus Mannen im Zwielicht
Ein Untersuchungsausschuß soll in NRW dubioses Regierungshandeln aufklären/ Gleich drei Minister unter Beschuß/ Vom Verdacht des Verfassungsbruchs und Klüngelgeschäften ist die Rede ■ Von Walter Jakobs
Düsseldorf (taz) — Seit Wochen tobt der verbale Krieg nun schon in Düsseldorf. Gleich drei Minister werden von der Opposition wahlweise als „Serientäter“, „Lügner“ oder Initiatoren „eines großangelegten Betrugsmanövers“ gebrandmarkt. „Infame Verunglimpfungen“, bellt die Regierung zurück, und Ministerpräsident Johannes Rau, sonst eher ein Freund der leisen Töne, sieht bei der Opposition Leute mit der „Psyche eines Amokläufers“ am Werke. Was tatsächlich hinter dem öffentlichen Getöse steckt, das soll nun ein Untersuchungsausschuß klären, den das Düsseldorfer Parlament gestern mit den Stimmen der in dieser Frage im Gleichschritt marschierenden schwarz-grün-gelben Opposition beschlossen hat. Um drei Sachverhalte geht es in dem Ausschuß, der vom früheren SPD-Landesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager Bodo Hombach geleitet wird: erstens um ein Grundstücksgeschäft in Oberhausen, zweitens um die öffentliche Alimentierung eines privaten medizinischen Instituts in Bochum und drittens um die Finanzierung einer Kampagne zur Müllvermeidung.
Begonnen werden soll mit der Untersuchung des Oberhausener Grundstücks- und Ansiedlungsgeschäftes. Auf einem riesigen Gelände im Zentrum Oberhausens, das bis zum Dezember letzten Jahres dem Thyssen-Konzern gehörte, will ein britischer Investor, wie berichtet, einen riesigen Konsum- und Freizeittempel bauen. Dem Düsseldorfer Finanzminister Heinz Schleußer, der das Thyssen-Grundstück für das Land gekauft und umgehend über ein kompliziertes Vertragswerk an den Investor weiterverkauft hat, wirft die Opposition einen Verstoß gegen die Haushaltsordnung des Landes vor. Schleußer habe den Verkauf, in dem auch die Immobiliengesellschaft der westdeutschen Landesbank (West LB) involviert ist, nicht ohne Einwilligung des Landtages vollziehen dürfen. Darüber hinaus habe „Ämtermulti“ Schleußer, der unter anderem dem Aufsichtsrat der Thyssen-AG angehört, in Oberhausen Landtagsabgeordneter ist und gleichzeitig dem Verwaltungsrat der West LB vorsteht, die Interessen des Landes bei der Vertragsgestaltung nicht hinreichend gewahrt. Das Land subventioniert die Aufbereitung des Grundstücks mit weit über 100 Millionen Mark. Die Grünen bereiten zu diesem Punkt parallel zum U-Ausschuß eine Verfassungsklage beim Verfassungsgerichtshof in Münster vor.
Im Zusammenhang mit einer von Umweltminister Klaus Matthiesen initiierten Müllvermeidungskampagne, dem dritten Untersuchungsgegenstand, hatte das Münsteraner Gericht dem Düsseldorfer Finanzminister erst Anfang des Jahres eine verfassungswidrige Mittelbewilligung attestiert. Die Opposition beschuldigt den Umweltminister darüber hinaus, das Geld von Schleußer unter Vortäuschung falscher Tatsachen erschlichen zu haben.
Die fünf Millionen Mark teure Müllvermeidungskampagne, die der Verfassungsgerichtshof in einem zweiten Urteil in der Sache für zulässig erklärte hatte, beruhte nach Ansicht des CDU-Oppositionsführers Helmut Linssen auf einem „großangelegten Betrugsmanöver“. Für die These der CDU spricht einiges. In dem Antrag für die außerplanmäßigen Mittel begründete Matthiesen gegenüber dem Finanzminister den Bedarf am 28.2. 1990 mit „dem zunehmenden Widerstand gegen die Müllverbrennung und dem Fortfall der Deponierungsmöglichkeiten in der DDR“. Zumindest der zweite Teil der Begründung war an den Haaren herbeigezogen. Tatsächlich hatte der Düsseldorfer Umweltminister selbst am 18.1. 1990 im Landtag erklärt, „daß es bisher keinen Export von Hausmüll aus NRW in die DDR gegeben hat...“
Bevor die Müllkampagne im U-Ausschuß zur Sprache kommt, wird jedoch zunächst einmal der „Fall Heinemann“ behandelt. Der Düsseldorfer Gesundheitsminister ist ins Gerede gekommen, weil sein Ministerium für ein privates „Entwicklungs- und Forschungszentrum für Mikrotherapie“ (EFMT) in Bochum ohne externe Begutachtung die satte Summe von 26 Millionen DM aus dem Strukturhilfefonds bewilligt hatte. Von den beiden Betreibern des EFMT, den Radiologen Dr. Grönemeyer (39) und Dr. Seibel (38), ließ sich Heinemann auch schon mal privat — allerdings nach der Mittelbewilligung — untersuchen. Gezielt gestreute Gerüchte, das Projekt sei von Heinemann auch deshalb begünstigt worden, weil der Vater Grönemeyers ein alter Schulfreund des Ministers gewesen sei, entpuppten sich inzwischen zwar als reine Fiktion, aber Zweifel an der seriösen Abwicklung des staatlichen Geldsegens bestehen fort.
Heinemann selbst bezifferte die Folgekosten während einer Pressekonferenz zunächst auf rund 50 Millionen in den nächsten fünf Jahren. Die Aufbringung dieser Kosten sei von den beiden Ärzten gegenüber dem Regierungspräsidenten glaubwürdig nachgewiesen worden. Die Pressekonferenz war kaum vorbei, da teilte Heinemann mit, daß nur Kosten von 25 Millionen Mark entstünden. So seriös wird in Düsseldorf gerechnet und geprüft...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen