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Neonazi erhielt trotz Haftbefehl neuen Paß

Der nach Dänemark geflüchtete Thies Christopherson konnte trotz Haftbefehl einen neuen deutschen Paß abholen  ■ Von A. Maegerle/R. Weiß

Ehningen (taz) — Der ehemalige SS-Sonderführer im Vernichtungslager Auschwitz und Verfasser der Broschüre Die Auschwitz-Lüge, Thies Christopherson, hat gut Lachen. Trotz aktuellem Haftbefehl in der Bundesrepublik konnte der 1986 nach Dänemark geflüchtete Neonazi unbehelligt in der baden-württembergischen Kleinstadt Ehningen (Kreis Böblingen) seinen neuen deutschen Paß abholen. „Wenn ich über die Grenze komme, passiert nichts“; er habe den Eindruck, daß die Behörden ihn „nicht haben wollen“.

Der 74jährige Christopherson wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz als aktiver „Neonationalsozialist“ eingstuft, der von Dänemark aus NS-Propaganda betreibt und regelmäßig an internationalen Treffen teilnimmt. Seine braune Karriere begann bereits bei der Hitler-Jugend und der SS. 1969 gründete er die Postille 'Die Bauernschaft‘, die noch heute vierteljährlich mit circa 5.000 Exemplaren verschickt wird. Mit der Broschüre Die Auschwitz-Lüge, die Christopherson 1973 im eigenen „Kritik-Verlag“ in einer Auflage von über 100.000 Exemplaren publizierte, wird er international bekannt. Wegen seiner revisionistischen Propaganda wird er in der Folge unter anderem wegen Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen und Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt. Einer drohenden erneuten Haftstrafe entzog sich Christopherson im Dezember 1986 nach Dänemark.

Ein Auslieferungsbegehren des Kieler Justizministeriums lehnte das Landgericht Sonderburg im Juni 1988 ab, da die Christopherson in der Bundesrepublik vorgeworfenen Straftaten nicht für eine Verurteilung in Dänemark ausreichen würden. In Ehningen, von wo auch ein Sonderbus für eine nichtöffentliche Veranstaltung unter Beteiligung der Hauptprotagonisten der Auschwitz-Lüge ins Elsaß startete, hatten Christophersons langjährige Bemühungen, vom dänischen Exil aus einen Ersatz für seinen abgelaufenen Reisepaß zu bekommen, Erfolg. Vorher hatte das bundesdeutsche Generalkonsulat im dänischen Aabenraa sein Ansinnen abgelehnt, da der Verdacht bestehe, der Paßbewerber wolle sich einer Strafverfolgung oder -vollstreckung entziehen. Auch in seinem früheren Wohnort Süderbarup (Kreis Schleswig-Holstein) blitzte er ab. Er hätte bei einem persönlichen Erscheinen aufgrund zweier vorliegender Haftbefehle der Flensburger Staatsanwaltschaft mit seiner umgehenden Verhaftung rechnen müssen. In der 7.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Ehningen meldete sich Christopherson zunächst bei einer Gesinnungsfreundin als Untermieter an und holte — wie erst jetzt bekannt wurde — am 18.Juli seinen neuen Reisepaß persönlich ab. Sowohl an den Grenzkontrollen als auch in Ehningen selbst passierte dem Neonazi nichts. Im November schließlich rügte die vorgesetzte Behörde das Ehninger Bürgermeisteramt wegen der Paßausstellung. Zwischenzeitlich läuft eine Verfügung zur Einziehung des Passes — bislang ohne Erfolg.

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