: Verfassungsschutz lauschte für BASF
Innenministerium in Rheinland-Pfalz bestätigt Informationen der taz/ Ex-CDU-Innenminister Böckmann beschönigte die Connection zwischen Polizei und dem Chemiekonzern ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) — „Informationen über Demonstranten befinden sich in den Unterlagen des Verfassungsschutzes.“ Im Rahmen der Beantwortung eine Anfrage der Grünen zum „Datenaustausch“ zwischen dem Chemiekonzern BASF und der Polizei bestätigte der amtierende rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber (SPD) gestern vor dem Landtag entsprechende Informationen der taz.
Ob der Verfassungsschutz des Landes Demonstranten, Einwender und Kläger gegen die Weltfirma auf Veranlassung der BASF bespitzelt hat, oder ob die Geheimdienstler von sich aus handelten, konnte Zuber dagegen noch nicht sagen: „Da laufen die Untersuchungen noch.“
Entsprechende Erkenntnisse werde er in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtages vortragen, sobald diese entsprechend weit entwickelt seien. Von diesem Geheimdienstausschuß der rheinland-pfälzischen Volksvertretung sind die oppositionellen Grünen nach wie vor ausgeschlossen.
Der Innenminister legte darüber hinaus offen, daß es — entgegen der Behauptungen der BASF — sehr wohl Rückmeldungen zummindest der Verfassungsschützer auf Anfragen der BASF gegeben habe. Bis 1977 habe gar ein „telefonischer Informationsaustausch“ zwischen dem Werkschutz der BASF, dem Verfassungsschutz und der Polizei stattgefunden.
Seit 1971 sei man dann sogar dazu übergegangen, der Polizei monatlich bis zu dreihundert Karteikarten von Mitarbeitern von Fremdfirmen zur „Überprüfung nach Fahndungsgesichtspunkten“ zu überlassen. Soweit danach Personen im Werk hätten festgenommen werden müssen, habe sich eine Rückinformation an die Firmenleitung nicht vermeiden lassen.
Zuber bestätigte auch, daß die Polizei in Ludwigshafen für ihr Revier in einem Gebäude der BASF in der Brunckstraße von 1959 bis 1979 keine Miete zu zahlen brauchte. Und BASF habe auch die Kosten für Strom, Wasser und Heizung übernommen — eine „unzulässige Praxis“ (Zuber). Und weil BASF in diesem Revier auch die komplette Ausstattung gestellt hatte, habe man seit Anfang der 80er Jahre die Büroräume „Zug um Zug“ mit aus Landesmitteln bezahlten Einrichtungsgegenständen neu ausrüsten müssen. Heute präsentiert sich die Polizeiwache Brunckstraße offenbar völlig BASF-frei.
Kurz vor dem Ausrasten stand gestern im Landtag der CDU-Abgeordnete Böckmann, der zur Hochzeit des BASF/Polizei/Verfassungsschutz- Skandals Innenminister des Landes war. Anhand der Akten im Innenministerium führte nämlich sein Nachfolger Zuber den Nachweis, daß Böckmann als Minister — wider besseres Wissen — die schon zu Beginn der 80er Jahre behördenintern bekannten Vorgänge heruntergespielt hat.
Obgleich der Polizeipräsident im Rahmen einer Anhörung bei der Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz im März 1980 eingeräumt hatte, daß es „üblich“ gewesen sei, einem Vertreter des Werkschutzes der BASF Einblick in die entsprechenden Unterlagen der Kriminalpolizei zu gewähren, beantwortete Minister Böckmann eine Anfrage des damaligen SPD-Abgeordneten Scharping wie folgt: „Es haben sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine unberechtigte Weitergabe von persönlichen Daten durch das Polizeipräsidium Ludwigshafen an die BASF ergeben.“
Nur einen Monat später meldete sich der Polizeipräsident erneut bei Böckmann. Nachforschungen hätten ergeben, daß dem BASF-Werkschutz regelmäßig (!) mündliche Auskünfte erteilt worden seien. In Böckmanns Antwort auf eine weitere Anfrage Scharpings heißt es dagegen lapidar: In früheren Jahren seien „gelegentlich“ (!) polizeiliche Erkenntnisse an den Werkschutz der BASF weitergegeben worden — „im Rahmen der Zusammenarbeit zur Verbrechensbekämpfung“.
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