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Härtere Strafen für Kinderpornographie

Justizminister Kinkel legt Gesetzentwurf vor/ Auch der Besitz entsprechender Filme soll strafbar sein  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Am Ende bedeckte das kleine Kind mit matten Händen sein Gesicht. Das schwache Kopfschütteln, die resignierte Pein in den Augen — ein ausgeliefertes Kind, das weiß, das nichts und niemand es vor seinem erwachsenen Peiniger — Bruder, Vater, Onkel — schützt.

Bilder aus einem beschlagnahmten Video, das Justizminister Klaus Kinkel gestern zeigen ließ, als er seinen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie vorstellte. Die Szenen — ein schwer erträgliches Dokument entstellter, gnadenloser Erwachsener und ausgenutzter, durchbohrter Kinder — wurden mit Gewinn vertrieben. Und auch die dünne, hilflose Kinderstimme, die mich am tiefsten berührt hat und die doch jedem das Herz brechen müßte, das klägliche „Ich will aber nicht“, ist Lust- und Kaufobjekt.

Der Justizminister schockierte mit diesem Auftakt, und das zu Recht. Vor gut zwei Jahren erreichten die Enthüllungen über den Kinderporno-Markt eine größere Öffentlichkeit, und seitdem wird diskutiert und gefordert, daß wirksamere Maßnahmen dagegen getroffen werden müßten. Eine interfraktionelle Initiative ging im letzten Sommer in den Bundestag, die Kinderkommission nahm das Thema in einer Anhörung auf. Es ist schon geraume Zeit klar, daß das geltende Strafrecht untauglich ist.

Der Gesetzentwurf, den das Kabinett gestern beschlossen hat, sieht Strafrechtsverschärfungen für Herstellung, Vertrieb und Besitz vor. Für Herstellung und Vertrieb, bisher mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr belegt, drohen nun bis zu drei Jahren Gefängnisstrafe; bis zu fünf Jahren Strafe sollen für die Gewerbs- und bandenmäßige Produktion gelten. Der bloße Besitz — bisher straffrei — wird nach dem Kinkel-Entwurf mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt. Kinderpornographische Produkte können deshalb, anders als bisher, in jedem Falle beschlagnahmt werden. Kinkel wies darauf hin, daß das Strafrecht für den in den meisten Fällen stattfindenden sexuellen Mißbrauch und für Vergewaltigung bisher Höchststrafen bis zu zehn Jahren vorsieht. Werbung und Angebote für Kinderpornographie über Bildschirmtext (btx) sind ein bekannter und stark genutzter Vertriebsweg, den Postminister Schwarz-Schilling jetzt verbauen soll. Die Einfuhrwege aus dem Ausland will Kinkel besser kontrolliert sehen, das Ausweichen auf Taten im Ausland soll verhindert werden. Kinkel kündigte einen Gesetzentwurf gegen den Kindersextourismus an.

Die familienpolitische Sprecherin der FDP, Uta Würfel, kritisierte, daß aus dem Postministerium bisher keinerlei Schritte gegen den btx- Vertrieb eingeleitet seien. Das Problem sei lange bekannt, die Untätigkeit unverständlich. Lücken hat der Gesetzentwurf auch an anderen Stellen. Die seit langem geforderte Verlängerung der Verjährungsfrist, die den oft sehr jungen Opfern die Möglichkeit eröffnen könnte, die Täter dann anzuklagen, wenn sie nicht mehr von ihnen abhängig sind, ist nicht vorgesehen. Auf eine entsprechende Frage versprach der Minister erneute Prüfung.

Flankiert von Uta Würfel, Margret Funke-Schmitt-Rink (FDP) sowie Norbert Eimer, Mitglied der Kinderkommission, betonte Kinkel, daß das Strafrecht nur „Ultima ratio“ sein könne. Das „scheußliche und schlimme Thema“ müsse heraus aus der Verschwiegenheit: „Kinder senden in ihrer Not Signale aus. Es kommt darauf an, diese Signale zu erkennen.“

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