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»Die SPD wird über Deeskalation reden«

■ Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) zur Ankündigung der CDU, die Deeskalationsstrategie abschaffen zu wollen/ »CDU-Hinterbänkler haben Diepgen das eingeflüstert«

Auf einem sicherheitspolitischen Kongreß der CDU am vergangenen Wochenende kündigte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen an, mit der Strategie der Deeskalation in Berlin sei es vorbei (die taz berichtete).

taz: Wenn es nach dem Berliner Bürgermeister Diepgen und der CDU geht, wird die Stadt zukünftig nicht mehr von der Politik, sondern vom Polizeiknüppel regiert. Wie steht der Jugendsenator dazu?

Thomas Krüger: Ich glaube, daß Diepgen hier von den Hinterbänklern seiner Partei eingeflüstert bekommen hat, die alte CDU-Linie wieder aufzugreifen. Ich kann das nicht verstehen, weil Diepgen in der Stadt der beste Deeskalationspolitiker ist.

Wie sollen wir das verstehen?

Ich glaube, er händelt die Konflikte in Berlin ganz gut.

Diepgen und der schwarz-rote Senat haben in dem einen Jahr doch überhaupt nichts zuwege gebracht.

Ich finde schon. Die Konflikte in der Stadt sind sehr komplex und fordern eine große Kompromißfähigkeit. Aber den sozialen Frieden kann man nicht mit dem Polizeiknüppel und mehr Knast herstellen, wie die CDU es will, sondern nur, indem sich die Politik den bestehenden Defiziten stellt.

War Diepgens Ankündigung, mit der Deeskalationsstrategie »ist es vorbei«, ernst gemeint oder Wahlkampfpropaganda?

Ich kann das nur als Wahlkampfpropaganda verstehen. Die Deeskalation ist eine Strategie, die die Polizei seit über 20 Jahren erfolgreich anwendet. Das Gegenteil von Deeskalation ist Eskalation, und dies ist das letzte, was wir in der Stadt brauchen. Die harte Linie der Konfliktlösung haben wir im Osten zur Genüge vorgeführt bekommen. Hier gibt es eine eigenartige Nähe zwischen den deutschen Konservativen und dem SED- Regime. Die Attacke gegen die Deeskalationspolitik zielt auch darauf ab, gewaltbereite Jugendliche mehr zu verfolgen. Ich bin dagegen, die Jugendlichen zum Buhmann der Stadt zu machen. Ich meine, daß die vielen Konflikte im Vorfeld angegangen werden müssen, wofür natürlich Investitionen erforderlich sind. Was praktische Deeskalation bewirkt, belegen die Zahlen der Jugendgerichtsverfahren im Westteil der Stadt. Sie sind von 17.000 (1965) auf 9.600 (1990) fast um die Hälfte zurückgegangen. Davon kann man auch für den Ostteil nur lernen.

Warum bezieht die SPD nicht klar Gegenposition, wenn die CDU härtere Strafen und eine drastische Reduzierung der Vollzugslockerungen fordert?

Wir haben immer wieder deutlich gemacht, daß es im Bereich Innere Sicherheit eine Politik der Vernunft und Verhältnismäßigkeit geben muß. Wir werden nicht von unserer Position abrücken, daß die Strafverfahren bei jugendlichen Ersttätern nach dem Grundsatz »Erziehen statt Strafen« behandelt werden müssen.

Eigentlich sind die Positionen unvereinbar. Wann platzt die schwarz-rote Koalition?

Ich glaube nicht, daß die Koalition platzt, aber wir müssen härter über solche Fragen debattieren. Noch hat es im Senat zwar keine Aussprache über das Thema Deeskalation gegeben. Aber wenn Heckelmann am kommenden Dienstag das Thema Hütchenspieler auf den Tisch bringt, wird die SPD auch über die Deeskalation reden. Interview: Plutonia Plarre

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