piwik no script img

Sie wollen Pullover verkaufen!

■ betr.: "Rosarote Zungen"/"Benetton", taz vom21.3.92

betr.: „Rosarote Zungen“/„Benetton“ von Christoph Becker und Ulf Erdmann Ziegler, taz vom 21.3.92

Mein Kommentar zur Werbestrategie der „United Colors of...“: Mit menschlichem Leid Werbung für bunte Baumwollpullover zu machen halte ich schlicht und ergreifend für geschmacklos.

Kunst hin, Kunst her! [...]

Der Unterschied zwischen einem blutverschmierten neugeborenen Baby und der Blutlache eines politischen Mordes als Reklameobjekt ist doch der:

Die Darstellung eines Neugeborenen steht für einen natürlichen und zunächst einmal politisch wertneutralen Vorgang menschlichen Lebens, dessen klitschig klebrige Realität aber aus unserem Alltag verbannt ist. Da muß alles porentief rein, aprilfrisch und blütenweiß sein. Allein Letzteres ist das Politikum; dem mal 'was entgegenzusetzen fand ich sogar recht gelungen.

Ein politischer Mord auf der Straße oder afrikanischer Bürgerkrieg jedoch sind keine natürlichen Eckdaten menschlichen Werden und Vergehens; sie sind je für sich schon ein Politikum, grausame Realität mit benennbaren und behebbaren Ursachen. Und da liegt die Krux:

Toscani und Benetton interessieren nicht AIDS und die Diskriminierung der HIV-Positiven bzw. deren immer noch oft versteckt und verdeckt gehaltenes Sterben, sie wollen Pullover verkaufen!

Sie interessieren nicht die Verstrickungen von Politik bis hin zum Vatikan in Mafiaschweinereien, sie wollen Pullover verkaufen!

Sie wollen we-der Krieg noch deren Ursache anklagen, sie wollen Pullover verkaufen!

Und dazu scheint ihnen jedes Mittel recht, den Namen Benetton im Hirn potentieller Kunden festzuschreiben.

Das ist eine dreiste Banalisierung und Entpolitisierung von Wirklichkeit und mitnichten das Gegenteil!

AIDS-Tote als „origineller“ Werbegag für Baumwollpullover — Nein Danke! Ralf Jörg Raber, Düsseldorf-Eller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen