: ASS/Altenburger: Wer hat die besseren Karten?
Zwei Spielkartenproduzenten mit ähnlich traditionsreichen Namen spielen statt am vereinten deutschen Skattisch ihre Trümpfe vor Gericht aus/ Altenburger machen mit dem Skatblatt „Hurra Deutschland“ einen fetten Stich ■ Aus Altenburg Peter Huth
Achtzehn, zwanzig, zwo, null, vier, sieben... Hurra Deutschland, wir sind wieder blöd. Herz ohne viere. Und was liegt im Skat? Zwei Buben, die gar nicht ins Blatt passen. Zwei blanke Skatverbände mit zwei Skatgerichten sind schon auf der Hand. Da wird halt in Bielefeld und in Altenburg jeweils die Hälfte weggedrückt. Aber die beiden Buben — das kann nicht gutgehen. Schneider angesagt.
Da sitzen am vereinten deutschen Skattisch zwei Spielkartenproduzenten mit ähnlich traditionsreichen Namen: die „Altenburger-Stralsunder- Spielkarten-Fabriken-AG“ (ASS) mit Sitz in Leinfelden bei Stuttgart und die im thüringischen Altenburg ansässige „Altenburger Spielkartenfabrik GmbH“. Zwei mit gleichem Namen, die sich mit dem gleichen Produkt um Marktanteile streiten. Das war doch den geschäftstüchtigen Wessis ein Dorn im Auge. Kontra! Kreuz As wird vorgespielt und gleich gestochen. Also bemühte ASS die Gerichte und erlangte beim Kreisgericht Gera Anfang dieses Jahres eine einstweilige Verfügung, die den Altenburgern aus Altenburg bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000 DM untersagte, den Namen „Altenburger“ im Firmennamen zu führen oder im Geschäftsverkehr zu nutzen. Re! Die juristische Karte stach nicht. Die Altenburger erhoben Widerspruch und bekamen recht.
Aber bekanntlich müssen beim Skat mindestens einundsechzig Augen nach Hause gebracht werden, um das Spiel zu gewinnen. Also ab in die nächste Instanz! Man bemühte weitere Gerichte, Vergleichstermine wurden angesetzt und brachten keine Einigung. Für den 24. April hat nun das Stuttgarter Oberlandesgericht beide Parteien zur Urteilsverkündung in ihrer Streitsache geladen. Aber ASS hat schon angekündigt, daß man bei für sie ungünstigem Ausgang weiterklagen werde. — In den Altenburger Annalen ist schon 1552 ein Kartenmacher mit Namen Christoff Hockendorff erwähnt. 1832 hatten die Lithographen Otto und Bernhard Bechstein von Herzog Friedrich von Sachsen Altenburg die Konzession zur Errichtung einer Spielkartenfabrik erhalten.
Vier Jahrzehnte später schlossen sich in Stralsund drei Spielkartenfabriken zu einer AG zusammen, die 1898 auch die Altenburger Fabrik aufkaufte. Diese Firmengruppe beherrschte danach den deutschen Kartenspielmarkt und hatte Mitte der 20er Jahre einen Marktanteil von siebzig Prozent. Den Ruhm Altenburgs als Hauptstadt Skat-Deutschlands nutzend, verlegten die Stralsunder ihren Firmensitz nach Thüringen und firmierten dort seit 1931 als „Vereinigte Altenburger und Stralsunder Spielkarten-Fabriken AG“.
Im Zusammenhang mit der Demontage deutscher Betriebe im Jahre 1946 wurde nicht nur die Einrichtung der Altenburger Spielkartenfabrik, sondern auch die Bestände des Spielkartenmuseums in die Sowjetunion verbracht und sind seitdem verschollen. Die Stadt Altenburg trug nach dem Krieg eine neue Sammlung zusammen, die heute im Altenburger Schloß besichtigt werden kann. Der Betrieb wurde im Mai 1948 als „Altenburger Spielkartenfabrik, Landeseigener Betrieb des Landes Thüringen“ wiedereröffnet. Unter dem Markennamen COEUR tauchten die Spielkarten im westeuropäischen Ausland und in der Bundesrepublik auf. Auch nach der Vereinigung druckte man schnell wieder gute Karten.
Nachdem im Namensstreit mit der ASS die erste Runde vor Gericht gewonnen wurde, fand sich ein potenter Eigentümer. Alteigentümer ASS hatte ebenfalls im vergangenen Jahr bei der Treuhand angeklopft. Die Enteignung mußte ja aufgrund des Einigungsvertrages akzeptiert werden. Der Spiele- und Spielkartenproduzent Schmid, nach den Ravensburgern die Nummer zwei in der bundesdeutschen Gesellschaftsspielbranche, zog sich die Kartenhersteller aus der Geburtsstadt des Skatspiels an Land. Derweil produzieren die rund siebzig MitarbeiterInnen fleißig weiter Rommé- und Skatkarten, freuen sich über Lohndruckaufträge aus der Spielebranche und haben mit dem Skatblatt „Hurra Deutschland“ einen Renner gelandet.
Die enteignete ASS verlegte 1949 ihren Sitz nach Mannheim-Waldhof und später nach Leinfelden. Neben der Spielkartenherstellung versucht sich die ASS mit Gesellschaftsspielen. Ende der 80er Jahre schrappte man knapp am Konkurs vorbei. Als besonders schlechte Karte erwies sich der damalige Vorstandsvorsitzende Hans W. Jany, der wegen Börsenmanipulationen seinen Stuhl räumen mußte und sich heute nach Informationen der taz in Altenburg als Immobilienmakler versucht.
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