NEU IM CINEMA: „Liebe auf den ersten Blick“

Hinter mir im Cinema wieherndes Spottgelächter — in mir eine geradezu grenzenlose Ruhe. Denn vor uns, die wir da prustend oder genießerisch kontemplativ im Kino sitzen, wird eine Liebesgeschichte erzählt, die in ihrer beharrlichen Beiläufigkeit dem ungeduldigen Blick als Inbegriff des Banalen erscheinen kann. Den geduldigen Blick aber kann es bezaubern, wie Rudolf Thome dem beliebtesten Thema des Kinos — der Liebe — eine vollständig neue Variante abgewinnt: die Alltäglichkeit dieses Gefühls mit seiner verändernden Kraft zugleich in den Blick zu nehmen - und sie ganz nebenbei mit der Überwindung der ost-west-deutschen Teilung zu verschränken.

Auf einem Kinderspielplatz geschieht diese „Liebe auf den ersten Blick“ zwischen Elsa, der Futurologin aus Westberlin, und Zenon, dem Archäologen aus Klein-Machnow.

Und von der ersten Sekunde an nimmt Elsa die Sache in die Hand. Zenon, der Zauderer, ist arbeitslos, verwitwet und zieht seine beiden Kinder alleine auf — Elsa, die Entschiedene, hat eine kleine Tochter und ist erfolgreich im Beruf. Und wäre es nur wegen der natürlichen Zärtlichkeit, mit der diese drei Kinder als Teil der lebendigen Geschichte von Zenon und Elsa in die Handlung integriert sind — man könnte sich allein deshalb schon an dem Film festsehen. Aber dieselbe Zärtlichkeit des Blicks fällt ja auch auf diese Liebe, die jeden der beiden langsam ergreift und sich bei Elsa an Zenons „schönen Händen“ entzündet hat.

Von da an bewegen sich die beiden aufeinander zu: vorsichtig und unerschütterlich zugleich. Und wenn Zenon, der Unbeholfene, in seiner ärmlich spießigen Wohnung zu Elsa sagt: „Du bist die schönste Frau der Welt“ — dann kann über den stereotypen Satz nur lachen, wer sich dem Liebes-Blick verweigert, mit dem die Kamera Elsa zeigt: sie ist die Schönste, weil wir sie mit Zenons Augen sehen. Und Zenons Lächeln macht diesen unscheinbaren Mann begehrenswert, weil wir auch ihn mit Elsas Augen sehen. Denn dieser Blick, den uns die Kamera ermöglicht, sieht vom Beginn des Filmes an, wie Liebe als Gefühl in den Gesichtern Ausdruck findet und trotzdem Rätsel bleibt.

Sybille Simon-Zülch

Ab sofort jeden Abend im Cinema Ostertor, zum Wiehern oder Genießen, um 20.45 Uhr.