SOMNAMBOULEVARD — BUDDHAS LEBERSCHADEN Von Micky Remann

Für jeden Mann oder Jüngling kommt die Zeit, da er sein Schwert in die Hand nehmen muß. Da aber die wenigsten wissen, was das bedeutet, lassen sie es bequemeshalber bleiben. So lagen die Dinge auch bei einem alten Bekannten, dessen verquastes Traumbgeblubber uns schon lange ein Dorn im Boulevard-Auge war, bis er sich eines Tages in folgendem Geschehnis wiederfand.

Er hatte eine Weile geträumt, er hyperventilierte, wobei die erhöhte Sauerstoffzufuhr seinen Traumkörper die absonderlichsten Yogaübungen vollführen ließ. Sein Rücken wand sich wie eine Salamanderin, seine Schenkel flatterten wie Libellenflügel, und dazu drehte er Pirouetten im vierdimensionalen Raum, die auch ein ultramoderner CrayII- Computer nur mit Mühe hätte simulieren können.

Derart durchpulst, kam er schließlich zur Ruhe und begab sich in die serienmäßige Buddha-Haltung, wie sie auf jeder Thailand- Postkarte zu sehen ist. Augenblicklich verfärbte sich seine Haut metallic-gold, wampig wurde der Bauch, und daß er sich auf einer tausendblättrigen Lotusblume befand, versteht sich fast von selbst.

Auch erhielten seine Ohren von den Mundwinkeln Besuch: Nirwana-Grinsen. Wir Traum-Flaneure hatten unsere helle Freude an dem Spektakel, denn wenn es hier auch sonst ziemlich hoch hergeht, können wir bei den uns umgebenden Somnambul-Produktionen durchaus zwischen Schonkost und Galadinner unterscheiden.

Unser gold-grinsender Freund hatte es offenbar auf letzteres abgesehen. Wie er nun so mit Lotus-Airlines einen Meter fuffzig übers Pflaster schwebte, kam von der anderen Seite, tarapp, tarapp, unser ortsansässiger Zauberer auf seinem schwarzen Rappen geritten.

Kurz vor dem Buddha machte er mit Volldampf Vollbremsung, daß die Hufe quietschten. Aus dem scharlachroten Umhang zückte er ein Science- fiction-artiges Leuchtschwert.

„Bist du bereit, es anzunehmen?“, fragte er gebieterisch. „Wofür ist es gut?“, wollte unser Bekannter wissen. „Es ist das Schwert der Heilung, probier es aus.“ „An mir oder an anderen?“ „Eins nach dem anderen!“

Neugierig betrachtete der Buddha das Ding, das wie eine astrale Wunderkerze glitzerte. Nach kurzer Überlegung sagte er: „Ich hätte zum Beispiel Bauchschmerzen, hier, die Leber.“ „Dann steck das Schwert genau da rein.“ „Aber woher weiß ich, daß es mich heilt?“ „Nun, es müßte ein warm-wohliges Kribbeln verströmen und den Schmerzpunkt von innen aufhellen.“ Urplötzlich wurde ihm klar, daß, während er die Worte sprach, er dem Schwert damit die Kraft verliehen hatte, die er sich davon versprach.

„Danke, jetzt bin ich bereit!“, jubelte er gerührt, nahm das Schwert und führte es in seinen Buddha- Bauch, der prompt zu strahlen und zu kribbeln begann. „Übrigens, es wirkt auch im Schlaf“, sagte der Zauberer und verschwand. Unser Freund schloß die Augen und ließ sich vom Schwert in seiner Seite eine Leberheilung träumen.