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INTERVIEWAmerikanische Arbeitsplätze sind wichtiger als das Weltklima

■ Eva Quistorp, Europa-Abgeordnete der Grünen, war auf der 4. Vorbereitungstreffen für die UNO-Konferenz '92 „Umwelt und Entwicklung“

taz: Sie kommen gerade aus New York zurück und haben dort an der UNO-Konferenz teilgenommen. Was stand auf dem Programm?

Eva Quistorp: Das heiße Tauziehen zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern hat begonnen. Es geht darum, sich bei den verschiedensten Themen, wie Abholzen der Tropenwälder, Giftmülltransporte in die „Dritte Welt“ und Osteuropa, Atmosphären- und Klimaschutz, Erhaltung der Artenvielfalt zu einigen. Ein besonders prikäre Rolle haben die USA eingenommen, vor allem George Bush. Er hat die Konferenz gleich für seinen Wahlkampf genutzt. Bush sei nur bereit sich auf CO2-Grenzwerte zu einigen, wenn das nicht zum Verlust von amerikanischen Arbeitsplätzen führen würde.

Was bedeutet die Konferenz für Rio?

Es mehren sich Stimmen, die sehr resigniert klingen und glauben, daß Rio nur ein großes Medienspektakel und ein Forum für die brasilianische Regierung wird. Ich sehe es nicht ganz so pessimistisch, denn es findet ein Prozeß statt, wo sich Regierungsvertreter der „Dritten Welt“ mit ihren eigenen Umweltgruppen auseinandersetzen müssen, wie Malaysia. Auch der Streit um die Gatt-Politik der Industrieländer muß öffentlicher werden und die Positionen von Solidaritäts- und VerbraucherInnengruppen müssen weltweit mehr Mitspracherecht bei der UNO bekommen. Auch die Umwelt-, Ureinwohner- und Frauengruppen sollten sich mehr einmischen, besser untereinander organisieren und inhaltlich stärker ergänzen lernen. Das trägt in jedem Fall zu einem besseren Dialog bei. Wir sollten in den nächsten noch verbleibenden zwei Monaten bis zum Beginn der Konferenz mehr darauf achten, daß der UNO-Prozeß mehr in die Öffentlichkeit getragen wird, daß die Parlamente darüber diskutieren müssen, wie wir mit unserer Energie-, Finanz- und Wirtschaftspolitik zu einer weltweiten Umweltzerstörung beitragen und wie die nationale Energie- und Entwicklungspolitik geändert werden muß. Natürlich haben die EG und die BRD bessere Positionen als die USA anzubieten, aber in New York hat sich die Bundesrepublik hinter dem Konsens der EG- Politik versteckt. In der Gruppe Artenvielfalt und Biotechnologie hat sie sich überhaupt nicht geäußert, also eine Konfliktvermeidungsstrategie durch Schweigen betrieben anstatt die Interessen von Frauengruppen und vom Gen- ethischen Netzwerk zu vertreten, die innerhalb Europas eine deutliche Position beziehen.

Die Erdcharta und die Agenda 21 spielten in New York ein große Rolle.

Die Erdcharta ist ein Grundsatzprogramm, wo einige Ziele sehr schön formuliert sind, daß heißt, wie die Menschheit eventuell doch noch ins nächste Jahrtausend kommt, und wie wir uns sowohl vor der zunehmenden Armut als auch der Klimazerstörung retten können. Ich hoffe, daß die Erdcharta in Rio nicht wie ein Sonntagspapier behandelt wird. Zur Zeit wird beispielsweise tagelang um solche Feinheiten gestritten, ob das Recht von Frauen an der Bevölkerungskontrolle beteiligt zu sein, auftaucht. Unsere Frauenlobby in New York hat vorgeschlagen, daß bevölkerungspolitische Programme von der Selbstbestimmung, von der Stärkung der Rechte von Frauen, von der ökonomischen Unabhängigkeit durch Landbesitz und Kreditzugang begleitet sein müssen. Das wird vor allem vom Vatikan blockiert, der sich gegen das Problem des Bevölkerungswachstums und der Geburtenkontrolle wehrt. Da lohnt sich dann doch letzten Endes das lange und mühsame Feilschen um Sätze.

Worum geht es in der Agenda 21?

Dort werden 21 Handlungsfelder abgesteckt, wie Armutsbekämpfung, Technologietransfer, Gesundheitspolitik, Atmosphärenschutz und die Rolle der Wissenschaft bei einer umweltverträglichen Entwicklung.

Was kann die Wissenschaft bewirken?

Beispielsweise begründen, welche Treibhausgase zur Klimazerstörung geführt haben, inwiefern die Sicherheit bei der Freisetzung von gentechnisch manipulierten Organismen garantiert ist. Vor allem sollten bei der Klima- und Wälderkonvention unabhängige Wissenschaftler aus sämtlichen Ländern der Welt einbezogen werden, die angepaßte Technologien entwickeln wollen und nicht nur an der Selbsterhaltung ihrer Institute interessiert sind. Sie müssen mit den Ureinwohnern zusammenarbeiten, um deren traditionelles Wissen aufzunehmen, anstatt es an den Rand zu drängen oder zu zerstören. Interview: Bärbel Petersen

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