piwik no script img

SPD wackelt beim Asyl-Grundrecht

Mehrere SPD-Politiker bringen eine Änderung des Grundrechts auf Asyl ins Gespräch/ Friedhelm Fahrtmann: „Das Bahrmherzigkeitsgefühl einschränken/ Ex-Fraktionschef Vogel lehnt Änderung ab  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Wer A sagt muß auch B sagen, befand Hamburgs Erster Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) gestern in der 'Bild‘-Zeitung zum Thema Asyl. Auf die Frage, ob die SPD nach den Landtagswahlen eine Änderung des Asylrechts mittragen wird, verwies Voscherau zunächst auf das von Regierungsparteien und Opposition vereinbarte Asylverfahrensgesetz, das jetzt schnell verabschiedet werden müsse. Während die SPD-Führung aber stets davor betont hat, daß die Beschleunigung der Verfahren eine Grundrechtsänderung überflüssig macht, erklärte Voscherau: „Sollte sich herausstellen, daß dies nicht ohne eine Änderung des Grundgesetzes möglich ist, müssen entsprechende Konsequenzen gezogen werden.“ Voscherau unterstützte ausdrücklich den Hamburger Innensenator Hackmann, der eine Grundgesetzänderung befürwortet. Voscherau weiter: „Gerade die großen Städte spüren den Druck der Zuwanderungswelle mehr als die Bonner Verfassungsorgane. Deshalb brauchen wir Möglichkeiten, die Zuwanderung zu steuern. Dies geht aber auf längere Sicht nur über ein einheitliches europäisches Zuwanderungsrecht.“

Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) antwortete auf die Frage, ob er eine Grundgesetzänderung ausschließe: „Am Ende kann man über alles reden.“ Es dürfe aber nicht der Eindruck erweckt werden, „als ob man mit einem bestimmten verfassungsrechtlichen Schritt alle Probleme löst.“ Die bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt verlangte, daß die „Handlungs- und Denkblockade“ in der Asyl- und Flüchtlingspolitik beendet werden müsse. Einheitliche Regelungen seien in einem Europa der offenen Grenzen unverzichtbar. Für die Bürger müßten nun nachvollziehbare und akzeptable Ergebnisse einer umfassenden geregelten Zuwanderungspolitik sichtbar werden, die Asylbewerber, Aussiedler und Flüchtlinge umfasse.

Das SPD-Präsidium hatte in seiner Stellungnahme zu den Landtagswahlen zum Thema Asyl von der Union verlangt, daß diese ihre „Blockadehaltung beim Asylverfahrensgesetz endlich aufgeben“ müsse. „Wir brauchen eine gesamteuropäische Regelung der Flüchtlingsfrage, die den Schutz für politisch Verfolgte absichert.“ Schließlich heißt es in der Erklärung: „Die Union darf den Menschen nicht länger vorgaukeln, die Änderung des Grundgesetzartikels 16 sei ein taugliches Rezept zur Eindämmung der Zuwanderung.“ Der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans-Jochen Vogel, lehnte im Deutschlandfunk eine Grundgesetzänderung ausdrücklich ab. Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Opposition müsse sich in der Asylpolitik auf die Umsetzung praktischer Maßnahmen konzentrieren. In ähnlicher Richtung äußerten sich andere sozialdemokratische Landes- und Kommunalpolitiker. Der Sozialminister Schleswig-Holsteins, Günther Jansen, lehnt eine Grundgesetzänderung ab. „Die deutsche Geschichte zeigt, was das Grundrecht auf politisches Asyl wert ist und welche Gefahr die Aufgabe solcher Grundrechte mit sich bringt.“ Nach einer 'dpa‘-Umfrage sieht die Mehrheit der SPD-Kommunalpolitiker in einer Änderung des Artikels 16 keine Lösung. Herbert Schmalstieg, Oberbürgermeister in Hannover, wies darauf hin, daß eine Grundrechtsänderung nicht einen einzigen Aslybewerber verhindere. Der Berliner SPD-Vorsitzende Walter Momper: „Der Artikel 16 gehört aus guten historischen Gründen in unser Grundgesetz und darf nicht rechtsextremen Hetzern nachgeworfen werden.“

Der SPD-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag, Friedhelm Farthmann, äußerte sich gegenüber dem 'Westfalen-Blatt‘ mit einer ganz anderen Position: „Wir müssen unser Barmherzigkeitsgefühl einschränken und die akademische Debatte über den Artikel 16 beenden.“ Farthmann hat keine Hemmungen, für die Änderung des Asylartikels zu stimmen und meinte außerdem, das allein bringe aber noch nicht den gewünschten Erfolg.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen