: Immer aufs Schienbein
■ BMX-Fahren ist wieder groß im Kommen: aber in der Freestyle-Variante
Samstag, kurz nach zwölf. An der BMX-Strecke am Oeversberg in Bremen-Nord herrscht Hochbetrieb. Mehr als ein Dutzend jugendliche „Racer“ haben sich zu dieser frühen Stunde aus den Federn gequält, um mit winzigen Fahrrädern über eine ovale, von Sprüngen unterbrochene Lehmpiste zu brettern. Einige benutzen zweckentfremdete Skateboard- Rampen, die „ramps“, um sich und ihre Räder meterhoch in die Luft zu katapultieren, im Sprung den Drahtesel unter dem Rumpf herumzuwirbeln und irgendwie wieder auf den Rädern zu landen, andere tänzeln mit ihren Rädern über den Betonboden. „Ground“ fahren nennt man das im Bikerjargon, das Vorderrad in der Luft,
hierhin den Fahrrad-
fahrer
BMX lebt.Foto: Dietmar Gust
die Füße finden auf der knapp hervorragenden Hinterachse halt. „Chicken Air“, „Boost“ oder „One-Hand-Walker“ heißen diese Figuren, „free style“ die zirkusreife Inszenierung.
Bicycle Moto Cross, kurz BMX, ehemals populäre Jugendmode Anfang der Achtziger, ist wieder im Kommen. Ein umfangreiches Reglement ist das Erbe übereifriger Funktionäre aus der hohen Zeit der BMX-Welle. Für die Teilnahme an offiziellen Rennen ist eine Lizenz erforderlich, erst dann gibt es vom Bund Deutscher Radfahrer in Frankfurt das ordnungsgemäße Nummernschild für das 20-Zoll-Rad, farblich nach Starterklasssen differenziert: Weiß für die Experten, blau für die Damen, rot für die „Cruiser“. Die Ausstattung der Räder mit Polsterung und Zugbremse ist ebenso vorgeschrieben wie die Schutzbekleidung inklusive Helm; verboten ist allesverletzungsträchtige Zubehör, Schutzbleche sowieso.
Diese weitgehende Reglementierung geht vielen Bikern gegen den Strich. Thomas Fritscher, 19, hat mit sieben angefangen, BMX zu fahren. Seit sechs Jahren fährt er Free Style, „immer nur Rennen war mir zu öde.“ Ob ground oder ramp, bei Free Style- Wettbewerben müssen die Fahrer in einer dreiminütigen Kür verschiedene Figuren fahren, die, ähnlich wie beim Eiskunstlauf, von einer Jury bewertet werden. „Gute Free Styler können auch eine halbe Stunde lang fahren, ohne eine Figur zu wiederholen.“ Kein Wunder, denn es gibt etwa 200 bekanntere Übungen plus individuelle Variationen, die die Fahrer aushecken.
Die Sicherheitsbestimmungen des BDR hält Fritscher für übertrieben. Helm und Polster seien wichtig, aber zwingen könne man keinen. Persönlich empfiehlt er die optisch unattraktiven Schienbeinschützer, „egal, wie gut du bist, da stößt du dich immer.“ Helmpflicht im Straßenverkehr? „Beim Free Style immer, auf der Straße würde ich, glaub ich, eine Menge Strafmandate kriegen.“
BMX-Fahren ist, egal ob Rennen oder Free Style, ein teueres Hobby. Unter 1.000 DM gibt es kaum brauchbare Räder. Billigere wären nicht sinnvoll, „die halten nicht lange,“ sagt Fritscher. Dazu kommen Ersatzteile, Anreise zu den Rennen, Startgelder. „Dennoch“, relativiert der Free Styler, „ist das zu bezahlen. Es ist ja nicht so, daß dir alle zwei Wochen der Lenker abbricht.“
Bislang ist die Bremer BMX- Szene noch klein und überschaubar, von den ca. 30 aktiven Fahrern sind etwa ein Dutzend Free Styler, bundesweit gibt es etwa 800 organisierte Fahrer.
Obwohl die BMX-Anlage in Huchting, neben der am Oeversberg die einzige in Bremen, im Dezember durch die Zerstörung der elektronischen Startanlage im Werte von 15.000 DM endgültig unbrauchbar gemacht wurde, sind die Biker optimistisch. Volker Dunkel, 2. Vorsitzender des Bremer BMX-Clubs, rechnet mit grünem Licht für das neue Konzept, nachdem neben einer neuen Bahn auch eine Skateboardanlage und im Winter eine Schlittschuhfläche entstehen sollen. Kosten: 50.000 DM. Die Biker beginnen am kommenden Samstag mit dem Wiederaufbau. Die zerstörten Hütten der Anlage sollen abgerissen und das Oval, die 200 Meter lange Geländestrecke, aufgeschüttet werden, sagt Markus Müller (19): „Und alles nach eigenen Plänen.“ Lars Reppesgaard
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