: Zuviel Angst vor Hallervorden
■ Heiko Schiers neuer Film „Alles Lüge“ hat Mut zum Ost-West-Thema und krankt am Hauptdarsteller
Günter Kasulke war früher Komiker. Zusammen mit seinem Kompagnon Portmann hat er in der DDR unheimlich viele Preise eingeheimst. Beliebt bei Volk und Politbüro war insbesondere die zeitlose Hamsterbackennummer. Ich werde jetzt nicht versuchen, sie zu beschreiben.
Nach der Wende geht Günter nach Westberlin, da die Ostler nicht mehr so humorig sind wie früher. Er findet seinen Kompagnon Portmann wieder, der schon vor Jahren in den Westen abgehauen ist. Der hat jetzt eine eigene Firma: „GMDG“ — Gib mir dein Geld.
Günter versucht als Komiker zu landen und lernt den Show-Agenten Fischer kennen. Einen sehr dicken Melancholiker: „Alles geht kaputt. Freundschaft, Liebe, Ehe. Da sitzt der Einzelne und wartet auf das Wunder: die große Samstagabendunterhaltung.“ Günter ist für diesen Job, tut Fischer ihm bedenkenlos kund, ungeeignet. Doch er irrt sich. Günter hat schlagartig Erfolg, als er auf einer Party einen arroganten Zahnarzt beschimpft und die Aufrichtiger- Ostler-empört-sich-ehrlich-Nummer abzieht. Günter macht sein Glück.
Ich schätze, ob man den Film mag, hängt zu etwa zehn Prozent davon ab, ob man Späße wie die Hamsterbackennummer amüsant findet. Der Rest hängt davon ab, ob man Dieter Hallervorden mag. Ich kann ihn nicht ausstehen. Es ist wie bei Katja Epstein. Sie spielte in Berlin in einem Musical im Theater des Westens, und ich glaube sie war nicht schlecht. Aber ich konnte nicht einen Moment diese grauenvollen Auftritte in der Hitparade vergessen. Der ganze Aufwand und die Mühe waren, soweit es mich betraf, für die Katz. Unfair? Vielleicht, aber so war es.
Hallervorden kann den Mund nicht aufmachen, ohne daß ich panisch in meinem Sitz zurückzucke, gelähmt vor Angst, jetzt käme einer dieser unsäglichen Kalauer, mit denen er gelegentlich die große Samstagabendunterhaltung verpestet. Außerdem wird dieser Mann niemals glauben, daß Komiker nicht wie die Irren mit den Augen rollen müssen.
Es ist wohl löblich, daß sich Schier als einer der wenigen Mutigen an das Ost-West-Thema gewagt hat. Aber ich konnte dem Film kaum folgen. Zuviel Angst vor Hallervordens Witzen. Anja Seeliger
Alles Lüge. Regie: Heiko Schier, mit Dietrich Hallervorden, Peter Fitz, Billie Zöckler. BRD 1992, cirka 90Min.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen