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Sex als Therapie

■ Eine Heilmethode für Rheumakranke

Gießen (dmd/taz) — Wenn es um Liebe geht, haben rund vier Millionen Bundesbürger ein schweres Handicap: Sie leiden an Rheuma, einer Krankheit mit über 100 verschiedenen Krankheitsformen. Besonders benachteiligt sind Patienten, die an chronischer Polyarthritis leiden. Denn das entzündliche Gelenkrheuma bedeutet für die Betroffenen unerträgliche Schmerzen und verformte Gelenke. Kein Wunder, wenn dabei vielen die Lust auf körperliche Liebe vergeht. Das aber ist völlig falsch. Professor Klaus Louis Schmidt, Chefarzt der Universitätsklinik für Physikalische Medizin und Rheumatologie Gießen, schwört auf Sex: „Für Rheumatiker ist eine glückliche Sexualität die beste Therapie, mit ihrer Krankheit, ihrer nachlassenden Beweglichkeit und ihren Schmerzen fertigzuwerden.“

Mit dieser aufsehenerregenden Behauptung greift Schmidt, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie ist, ein Thema auf, das für viele Patienten und ihre Partner, aber auch für die meisten Ärzte bislang tabu war. Dabei kann das Ausklammern sexueller Lustgefühle für Rheumatiker fatale Folgen haben. Hängt doch der Verlauf der umheilbaren Krankheit eng mit dem seelischen Zustand zusammen. So können beispielsweise Mut- und Hoffnungslosigkeit als Folge einer Angst, nicht mehr begehrenswert zu sein, durchaus neue Krankheitsschübe auslösen.

Deshalb fordert Schmidt den Abbau von Hemmschwellen, sowohl bei Patienten als auch bei seinen Kollegen: „Wir müssen den Patienten, die sich von ihrem Körper im Stich gelassen fühlen, helfen, ein neues Körperbewußtsein aufzubauen. Dazu gehört, daß wir die sexuelle Erlebnisfähigkeit berücksichtigen. Wenn wir nur die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeitskraft ins Zentrum unserer Therapie- Bemühungen stellen, vernachlässigen wir einen Bereich, der zum größten Freudenpotential des Menschen gehört.“

Damit Rheumatiker ihren Körper nicht nur als Absender von Schmerzen, sondern auch als Quelle von Lustgefühlen erleben können, hat Schmidt einige Regeln für ein glückliches Sexualleben parat: 1. Wählen Sie den für Sie ganz persönlich günstigsten Zeitpunkt für die Liebe. Ganz schlecht sind die frühen Morgenstunden, denn da ist die Gelenksteifigkeit zumeist am allergrößten. Wesentlich besser: die späten Nachmittagsstunden oder der frühe Abend. 2. Vorher warm Baden oder Duschen. Das entspannt, weil die Schmerzen durch die Wärme nachlassen. Den Körper danach auch warmhalten. 3.Vergessen Sie den Gelenkschutz nicht. 4. Ein scheinbar vermindertes sexuelles Interesse Ihres Partners an Ihnen kann auch durch Furcht hervorgerufen werden. Gut möglich, daß er glaubt, Sie seien ein Porzellan-Püppchen, dem er bereits durch eine kleine Unachtsamkeit weh tun könnte. Deshalb vereinbaren Sie mit Ihrem Partner vorher ein Stoppsignal.

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