: Killer, Engel, Flüchtling
■ Peter Hammill kommt in die Passionskirche
In Jahresabständen schickt er sich an, seine verstreuten aber um so treueren Gemeinden aufzusuchen, um ihnen seine neueste Botschaft zuteil werden zu lassen. Längst hat man sich daran gewöhnt, auf den Namen Peter Hammill allenfalls Schulterzucken und fragende Blicke zu ernten. Es waren auch nicht die Disjockeys oder diverse Charts in den Siebzigern, die ihm zu bescheidenem Ruhm verhalfen, sondern kleine, fast esoterische Selbsterfahrungszirkel post- oder noch pubertierender GmynasiastInnen. Aus denselben Grüppchen von damals, mittlerweile in Jahre gekommen wie der Altmeister auch, rekrutiert sich vermutlich auch die Fangemeinde von heute.
Hammill selbst stieß schon während der 68er Flower-Power-Epoche zur britischen Musikszene. Allerdings mit eher eigenwillig schrägen und diffusen psychedelischen Klängen, die nie zu Hits werden sollten. Genauso eigenwillig war der intellektuelle Stoff seiner Gedanken. Als erster Kopf unter den fünfen der Gruppe Van der Graaf Generator entledigte er sich schon bald des langatmigen, aus dem Physikunterricht abgelauschten Namens, um fortan unter eigener Flagge, jedoch musikalisch unterstützt durch die Restgruppe, mit der Welt zu hadern.
Schon in frühen Titeln wie Killer, Refugees (später erschien ein Buch mit dem fast gleichnamigen Titel Killers, Angels, Refugees) begann Hammill die Schattenseiten der menschlichen Existenz auszuloten. Doch nicht als sozialkritisch gemeinte Anklage. Seine Musik erweckte eher den Eindruck einer ganz persönlichen Beschreibung seiner jahrelangen Leidensgeschichte. Höchst Intimes wurde nach außen gestülpt, zuweilen selbstquälerisch hinausgeschrien. Man hatte es mit einem Außenseiter zu tun, der einem zum (schwierigen) Freund werden konnte. Vielleicht, weil man damals, als Sartre lesender Oberschüler, sich selbst auf Sinnsuche befand.
Der Alleingang dauerte nur ein paar Platten, dann wurde das alte Firmensignet wieder auf die Cover gedruckt. Alsbald entspann sich ein schwer durchschaubares Wechselspiel zwischen Hammill- und Van der Graaf-Platten, die sich nur in den — durchs Alphabet bedingten — Stellplätzen im Plattenregal unterschieden. Auch die Besetzungen und die Musik auf den folgenden etwa 20 (insgesamt weit über 30) Platten blieben weitgehend gleich. Musikalische Neuerungen schienen Hammill — von einem kurzen punkähnlichen Intermezzo abgesehen — kaum noch zu berühren. Längst war sein klarer, selbst Falsettöne nicht scheuender Tenor zusammen mit dem notorisch schleppenden Schlagzeug zum Markenzeichen geworden.
Die letzte Produktion Firechips ist allerdings — altersbedingt? — doch etwas versöhnlerischer geworden: weiche, New-Age-ähnliche Klaviertöne nebst harmoniesüchtigen Gitarrenklängen, von Streichern untermalt — hoffentlich nicht der Hammill der neunziger Jahre. Ein Live- Dementi wäre nicht nur wünschenswert, sondern aufgrund bisheriger Erfahrungen durchaus im Bereich des Möglichen. Thomas Rothermel
Heute abend, 20 Uhr, Passionskirche, Marheinekeplatz
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