piwik no script img

Grüne Müllverbrennungs-Koalitionen

■ betr.: "Grüner Streit um Müllöfen", taz vom 1.4.92, "Rot-Grün will neuen Giftmüllofen", taz vom 10.3.92

Betr.: „Grüner Streit um Müllöfen“, (Wird Biebesheim Sondermüll-Verbrennungszentrum?), taz vom 1.4.92, „Rot-Grün will neuen Giftmüllofen“ (Niedersächsisches Sonderabfallkonzept hält den Bau eines Giftmüllofens für unverzichtbar), taz vom 10.3.92

Die Müllverbrennungslobby frohlockt: Rosa-Grün in Niedersachsen will die Sondermüllverbrennungsanlage in Salzgitter nun durchziehen. Hessens Müllverbrennungsminister Fischer plant, im Herbst, den dritten Sondermüllofen in Biebesheim zu genehmigen. Auch im baden-württembergischen Kehl dürfte dank Schwarz-Grün nun bald das Feuer lodern. Grün heizt ein! Aber mit ganz vielen Filtern versteht sich.

Doch Spaß beiseite: Entweder sind die Grünen an Naivität nicht zu überbieten, oder sie opfern vorsätzlich ihrem Aufstieg zu den Fleischtöpfen der Regierungsbänke die letzten politischen Ziele auf dem Altar der Sachzwanglogik. Nehmen wir die Sondermüllverbrennung in Salzgitter: Hier wurde zum Gaudi der Fachjournalisten auf der grünen Landesversammlung in Hildesheim die Hochtemperaturverbrennung von Sondermüll abgelehnt, aber die Verschwelung beschlossen. Entweder wollte niemand von der Landtagsfraktion sagen, daß beide Verfahren in Salzgitter gekoppelt werden sollen, oder sie wußten es selbst nicht besser. Oder das Märchen von der sortenreinen Verbrennung: Normalerweise liegt Sondermüll als Stoffgemisch vor. Wo dies nicht der Fall ist, wird vorsätzlich „homogenisiert“, um einen einheitlichen Brennwert zu erreichen. „Sortenreine Müllverbrennung“ ist also Augenwischerei und wenig real, liebe RealpoltikerInnen! Nebenbei bemerkt: Sollte Abfall wirklich sortenrein vorliegen, warum ihn dann nicht gleich wiederverwenden oder recyceln?

Darüber hinaus ist die Technikgläubigkeit grüner Müllverbrennungssachzwangslogiker schon bemerkenswert. Jedes Grüne Mitglied kennt beim Atomkraftwerk Normalbetrieb und Störfälle. Das dies bei der Müllverbrennungsanlage und allen technischen Anlagen leider auch so ist, sollte bekannt sein. Trotzdem plappern die Grünen hier ohne nachzudenken die Sprüche der Anlagenhersteller nach. Größter Fauxpas: „Durch die neue Dioxinreduzierung mittels Aktivkoksfiltertechnik können wir die Müllverbrennung nicht mehr ablehnen.“ Reingefallen: Zwei der Superfilter sind schon abgebrannt, unter konzentrierter Schadstofffreisetzung, dafür aber unter Ausschluß der Öffentlichkeit.

Es muß wohl mit der im christlichen Kulturkreis verbreiteten Mythologie des „Reinigenden Feuers“ zusammenhängen, daß so viele in diesem Land glauben, sie brauchten nur zu zündeln, und alle Probleme lösen sich in Rauch auf... Wolfgang Kühr, Projektleiter Radikalökologie der Ökologischen Linken, Essen

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen