Um eine Rarität reicher

■ Wie die taz als Konsum-Genossenschaft funktioniert und das Geld der Anleger investiert

Die taz ist nun eine Konsumgenossenschaft mit der Registriernummer 94 GnR 480 Nz. Damit ist der altehrwürdige Hamburger „Revisionsverband der Konsumgenossenschaften“ um eine Rarität reicher, denn eine Verlagsgenossenschaft gab es bislang noch nicht. Dabei bietet die Genossenschaft als Unternehmensform viele Vorteile.

Da auch kleinere Summen angelegt werden können, kommt als Kapitalgeber ein breites Publikum in Frage, zugleich ist die Einflußnahme einzelner begrenzt. Bei einer Genossenschaft sind — im Gegensatz zu einer GmbH oder einer AG — die Stimmenanteile unabhängig von der Höhe der Kapitalanteile. Es gilt das Prinzip: Pro Nase eine Stimme. Ein weiterer Vorteil liegt darin, daß eine Genossenschaft jederzeit ihr Kapital erhöhen kann. Neue MitinhaberInnen und damit GeldgeberInnen können durch einfachen Beschluß des Vorstandes jederzeit aufgenommen werden.

Für die taz war die Kapitalfrage schon immer eng mit der Frage der redaktionellen Unabhängigkeit verbunden. In wirtschaftlicher Hinsicht will die taz ihre zu geringe Eigenkapitalbasis stärken, gleichzeitig soll aber eine weitgehende journalistische Unabhängigkeit gegenüber KapitalgeberInnen erhalten bleiben. Wir gehen auch davon aus, daß die neuen MitgenossenschafterInnen nicht in erster Linie auf eine maximale Rendite spekulieren, sondern vor allem am weiteren Erscheinen und der Verbesserung der Zeitung interessiert sind. 2.107 Menschen haben bisher Genossenschaftsanteile im Wert von etwa 3,46 Millionen DM gezeichnet. Wir sind optimistisch, daß in diesem Jahr mindestens 5 Millionen Mark zusammenkommen werden.

Nach der nun erfolgten Eintragung werden die AnteilszeichnerInnen vom Vorstand in die Genossenschaft aufgenommen. Auf einer Generalversammlung beraten die GenossInnen dann über den Wirtschaftsplan des Vorstandes und wählen einen Aufsichtsrat. Gemeinsam mit dem Prüfungsverband der Genossenschaften kontrolliert der Aufsichtsrat den sorgsamen Umgang mit dem Kapital der MitinhaberInnen. Zusätzlich prüft der Genossenschaftsverband jährlich die Vermögenslage.

Im rechtlichen Sinn ist die taz-Genossenschaft eine Holding. Diese wird das Stammkapital der beiden zentralen Gesellschaften der taz halten, der „taz Verlags- und Vertriebs- GmbH“, in der Redaktion, Anzeigen- und Verkaufsgeschäft betrieben werden, und der „contrapress Satz und Druck GmbH und Co. Neue KG“, die für die technische Herstellung der Zeitung sorgt. Die Genossenschaft wird dann das Stammkapital ihrer Unternehmen erhöhen und damit das Genossenschaftskapital in den Geschäftsbetrieb der taz einbringen.

Mit diesem Geld will und muß die taz ihre Eigenkapitalbasis stärken, um nicht in jeder Absatzkrise an den Rand der Existenz zu geraten. Zudem sind Investitionen in Millionenhöhe nötig, um die Auflage zu steigern und mehr Anzeigenkunden zu gewinnen.

Wir haben bereits mit diesen Investitionen begonnen. In München, Dortmund und Bielefeld konnten wir beispielsweise zusätzliche Trägerdienste gewinnen, die für eine zuverlässige Zustellung der taz auch für Frühaufsteher sorgen. Wir haben weiterhin mit Beilagen und Broschüren in Millionenauflage sowie mit Anzeigen in anderen Zeitschriften um neue AbonnentInnen geworben. In diesem Jahr brauchen wir 7.000 zusätzliche Abos.

Für den 30. Mai 1992 werden wir nun voraussichtlich zu der ersten Generalversammlung der bis dahin etwa 2.500 neuen MitinhaberInnen der taz-Genossenschaft in Berlin einladen. Andreas Bull, Geschäftsführung