: Zu gefährlich, um geklaut zu werden
■ Umweltsenator Hassemer will ersten Atommülltransport vom Hahn-Meitner-Institut nur von wenig Polizei begleiten lassen/ Die Radioaktivität der abgebrannten Stäbe sei »selbstschützend«
Berlin/Hamburg/Wiesbaden. Für den ersten Atommülltransport, der möglicherweise schon in diesem Jahr vom Hahn-Meitner-Institut (HMI) starten wird, braucht die Polizei keine Überstunden zu machen. Denn für den Schutz der nuklearen Fracht »müssen nur geringe polizeiliche Maßnahmen getroffen werden«, glaubt Umweltsenator Volker Hassemer (CDU). Die Begründung des Senators in seiner Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Hartwig Berger (Bündnis 90/Grüne) lautete: Der Transport ausgebrannter Brennelemente sei wegen der Eigenradioaktivität gegen Entwendung selbstschützend. Auf deutsch: So was Gefährliches klaut keiner.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace in Hamburg gibt dem Senator gleich zweimal recht. Die Fracht, die zur schottischen Wiederaufbereitungsanlage Dounreay gebracht werden soll, sei gefährlich. Wer die Brennelemente ungeschützt aus dem Behälter herausnehme, sei tot. Und klauen wolle sie vermutlich auch keiner, schätzt Atommüll-Experte Roland Hipp. Denn mit den Brennelementen selbst könne kaum jemand etwas anfangen, da das in ihnen enthaltene Plutonium nur sehr schwer herauszutrennen sei. Wer illegal die nötigen Zutaten für den Bau einer Atombombe erwerben möchte, habe es in den GUS-Staaten viel leichter. Allerdings, warnt Hipp, sei nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen, daß ein Irrer oder Terroristen auf die Idee kommen, den Transportbehälter mit den Hahn- Meitner-Brennelementen zu öffnen.
Die Behälter seien für alle möglichen Eventualitäten ausgelegt, sagt Dieter Borchardt, stellvertretender Leiter der Abteilung Strahlenschutz im HMI. Um einen wirklichen Schaden anzurichten, reiche es aber nicht, lediglich den Behälter zu öffnen, behauptet er. Man müsse die Brennstäbe schon herausziehen und am besten zermalmen — was ohne aufwendigen Schutz vor der Strahlung aber nicht möglich sei. Sollte es zu einer solchen Selbstmordaktion kommen, glaubt der Strahlenschützer, gehe mehr Gefahr von der Bevölkerung aus als von den Brennstäben. Die Menschen würden in Angst und Panik geraten und dadurch mehr Schaden anrichten als der Nuklearabfall.
Dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden sind bisher keine Hinweise bekannt, daß Terroristen planten, Atomtransporte als »Geisel« zu nehmen, um mit ihnen politischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Erfahrungen während des Golfkrieges im vergangenen Jahr habe man nicht gesammelt, weil es zu dieser Zeit keine Transporte gegeben habe, sagte ein Sprecher. Aus dem Berliner Polizeipräsidium hieß es, daß für den Transport die Verkehrs- und Wasserschutzpolizei zuständig sei. Die Gefährdungslage des »Gefahrenguttransportes« schätze der Lagedienst ein. Noch sei aber kein Transport beantragt. Dirk Wildt
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