piwik no script img

„Tach der Aabeit“

■ Bemerkungen von Else Stratmann aus dem Ruhrpott

„Ich sach noch zu mein Gatte, Willi, sarich, erster Mai, Tach der Aabeit, is doch eintlich Quatsch, nä. Wieso istatt Quatsch, sachter, is doch ein uralten Feiertach. Ja, sarich, eben, wieso heißtatt Tach der Aabeit, wennet dochen Feiertach is, wo kein Mensch aabeitet, kanzze mir datt ma erklären? Ja, sacht Willi, Else, datt is mehr so historisch. Die Gewerkschaft, die hatta — watt weiß ich vor hundert Jahre oder so, hattie da Rechte fürm Aabeitsmann erkämpft, un datt tunse nu am 1. Mai feiern. Sollnse, sarich, aber warum heißtet dannich Tach der Aabeiter oderc Tach des Feierns vonne Rechte vonne Aabeiter —

Nu hör aber auf, Else, sacht Willi. Paß auf, ich willet dich ma so erklären: Der Sozialismus, nä, der — ich sach Willi! Willi, nich datt Woat Sozialismus(...) Ja gut, sacht Willi, fangen wer datt halt anders an. Vor 100 Jahren, nä, da hamse den 1, Mai eimfach stickum fürm Weltfeiertach für de Aabeiter ernannt, rote Fahnen un Kumpels halten alle zusammen un solln alle auffe Straße gehn un fürm Frieden eintreten un fürm Achtstundentach.

Ja, sarich, datt ham wer ja nu, Frieden un Achstundentach. Ja, sacht Willi, deshalb gehn de meisten Aabeiter ja auch an 1. Mai mitte Olle untie Kinder im Grünen statt mitte rote Fahne auffe Demonstration. Is auch besser, sarich. Aber warum datt nu Tach der Aabeit heißt, wo außer Nachtschwester Gisela kein Mensch aabeitet, datt weiß ich gezz verdorri immer nonnich.

Meine Zeit, watt bistu nickelich, sacht Willi. So heißatt eben, der Tach der Deutschen Einheit hieß ja auch Einheit, un hatten wer vielleicht Einheit?

Ich sach, nä, datt nich, aber da ham wer dran gedacht, wie et wär, wenn wer Einheit hätten.

Ja, sacht Willi, so ähnlich istatt doch auch mitten Tach der Aabeit. Da ham wer rund 2 Mio. Aabeitslose auffe Matte stehn, die sich am 1. Mai besaufen un dran denken, wie et wär, wennse Aabeit hätten, un deshalb heißter Tach so. Ach so, sarich. Deshalb.“ Elke Heidenreich, gekürzt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen