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»Es ist ein Insistieren auf Standpunkte«

■ Blumfeld, Deutschlands meistbeachtete Newcomer-Band, kommt heute um 20 Uhr ins Huxley's

Hype oder Hoffnung? Während die Kritiker sich noch die Köpfe darüber zerbrechen, touren Blumfeld von ihrem Heimathafen Hamburg aus weiter durchs wiedervereinigte Deutschland, diskutieren über Luhmann und Adorno und geben in der verbleibenden Zeit Konzerte. Niemand, wirklich niemand ist vor ihren Lyrics mehr sicher, schon morgens unter der Dusche kann es dich erwischen, wenn das Radio zu laut gestellt ist. Mit Jochen Distelmeyer, Andre Rattay und Eike Bohlken sprach Till Briegleb. Ein Interview in der Tradition von Andy Warhols Factory-Gesprächen.

taz: Nun muß ich wohl fragen?

J.D.: Wir können ja auch einfach was erzählen. Zum Beispiel, als wir in Karlsruhe gespielt haben, da spricht mich jemand an und fragt mich irgendwie nach Niklas Luhmann. Der studierte wohl Philosophie oder so'n Kram und hat sich dafür interessiert, wie so eine jüngere Generation es hinbekommt, sich eine bestimmte Art von Theorie auf eine viel freiere, unakademische Art und Weise anzueignen. Also wie du bei Nirvana nur denkst »Hello, Hello, Hello, Hello« und dann genau auf diese Art auch bei Adorno, »ja, ja, ja«, das war ihm vom Lebensgefühl augenscheinlich völlig fremd, aber er fand es eben sehr interessant.

A.R.: Wenn du als deutsche Band deutsch singst, dann gibt es immer diese Spaltung zwischen Musik und Text. Das ist wirklich total schizophren. Bei jeder dummen Pinkel- Ami-Band sind die Texte total egal. Hier gibt es aber immer diese Trennung: »Ja, aber man konnte die Texte nicht verstehen.«

Wie beschreibt Ihr denn den Zusammenhang von Musik und Text?

A.R.: Ja, das ist eine Einheit. Die Art, wie Jochen singt, das prägt, wie ich spiele. Und das hat was damit zu tun, wie ich mein Leben wahrnehme und wie ich Erfahrungen umsetze. Daraus entsteht die Musik im Übungsraum. Das ist wie Zahnräder, die ineinander fassen.

J.D.: Das Prinzip von Dichtung findet sich in Text und Musik wieder, und auch wenn manche Leute Schwierigkeiten mit den Texten haben, denke ich, die sind sehr konkret und nachvollziehbar, genauso wie die Musik auch. Außerdem: Die Texte würde es ohne die Musik nicht geben und umgekehrt. Es ist ja nicht der Text, sondern der Klang einer Stimme, den man hört. Und das kann nur in diesem Zusammenhang funktionieren.

A.R.: Was mich aber wirklich mehr ärgert, ist dieser Anspruch, wenn du deutsch singst, dann muß der Text zu verstehen sein und die Musik in den Hintergrund treten.

J.D.: Wir klingen jetzt live auch viel rockiger, und auf so Rufe wie »Mach mal den Text lauter«, habe ich einfach keinen Bock. Nee! Scheiße. Vergiß es.

Dasjenige, was eure Band interessant macht, ist nunmal aber zuallererst der Gesang und die Texte.

A.R.: Die Leute, die wirklich die Texte verstehen wollen, die können sie sich auf der CD durchlesen. Aber live versuchen die Leute eben immer zu trennen. Hier ist der intellektuelle Text und dort ist die Musik.

Ich glaube eher, daß sich diese Unzufriedenheit beim Publikum anders motiviert. Die sehen in euch eine Form von Führungspersönlichkeiten und wollen angeleitet werden und dazu muß man die Texte verstehen.

J.D.: Richtig. Aber ich glaube, daß das noch weiter geht. Blumfeld ist mehr als eine Band, mehr als einfach Texte. Das ist mehr als die Sprachen, die man da zur Verfügung hat, als Schlagzeug, Bass, Gesang. Und das wiederum überlebt als Nachricht den geringeren Level der Gesangslautstärke. Es ist ein Insistieren auf die Standpunkte, die man sich ziemlich lange erkämpft hat, und von dort geht man dann vorsichtig weiter. Das was dahintersteht, die Haltung der drei Personen, das ist bei jedem Ding dasselbe. Und das ist genau das, was den Reiz für die Leute ausmacht. Es fällt mir schwer zu definieren, was nun genau diese Haltung ausmacht. Vielleicht so ein bestimmtes Bedürfnis, etwas zu wissen. Daß da die Leute nicht nur die richtigen Fragen stellen, sondern selber aussehen wie Fragezeichen auf der Bühne, sich so bewegen. Daß die Musik sich nach etwas sehnt, die Harmonien. Trotzdem etwas Erzürntes.

Wie reagiert ihr auf die Führungsrolle, die man euch zugedenkt?

J.D.: Es ist ein Problem. Wir haben ja jetzt in Hamburg mit anderen Bands, »Cpt. Kirk &.« und »Brüllen« zusammen, mit diesem gemeinsamen Konzert »Verfolge den Prozeß«, versucht zu kucken: Wie kann man mit Zugpferden etwas in Gang bringen? Und es ist tatsächlich etwas in Bewegung gekommen. Was aber immer noch nicht eingesetzt hat, ist, daraus eine ökonomische Basis zu schaffen, auf der man arbeitet. Es wird die Zeit zeigen, inwieweit man ein eigenes Studio macht, ein eigenes Label und uns die Basis gehört. Das ist ein längerfristiger Prozeß. Das Doofe jetzt ist, daß Blumfeld eben arschviel verkauft und sich alle darauf stürzen und 'Spex‘ macht einen Blumfeld-Artikel und dann einen »Cpt. Kirk &.«-Artikel und wenn man dann fragt, ob sie nicht was über »Huah!« machen können, oder über andere Sachen, dann sagen die: aber wir haben doch jetzt schon die beiden gemacht. Ich denke aber schon, daß die Ich-Maschine eine gewisse Sensibilisierung geleistet hat. Um Blumfeld wird es logischerweise bald ruhiger werden, aber der Fluß an neuen Veröffentlichungen von Bands, von denen ich denke, daß sie in dieselbe Kerbe schlagen, das geht weiter.

Ist das ganze Rockbusiness nicht in sich schon so verlogen, daß Ihr auch nur ein neues Kuriosum seid und sich tatsächlich kein Schwein dafür interessiert, was ihr transpostieren wollt?

J.D.: Das ist ein Problem. Aber das ist ja auf der Platte schon angesprochen, in Ghettowelt oder Sing Sing. Es ist eben »Ein Lied mehr«. Wo mit einem gewissen Mißtrauen sowohl der Person, die da etwas erzählt, also einem selbst, begegnet wird, als auch dem Feld, in dem man sich bewegt und wo man glaubt, irgendetwas machen zu können. Damals als die Stücke entstanden, waren wir natürlich noch außen vor, jetzt sind wir mittendrin, und die Analyse ist aufreibender, weil es ein Kraftakt ist, sich neben sich selbst zu stellen. Andererseits weiß ich jetzt, wie es läuft. Und diese Produktionsbedingungen werden behandelt, das Medium wird zum Thema gemacht.

E.B.: Das Medium Sprache ist auch ein Problem, aber Popmusik ist krasser, weil es noch mehr der Vermarktung unterliegt.

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