Erste Streikphase in Berlin ausgerufen

■ BVG fällt heute für einen Tag im Westen aus/ Verkehrskollaps droht/ Taxiunternehmen profitieren

Berlin. In Berlin droht der Verkehrskollaps. Die Gewerkschaft »Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr« (ÖTV) will heute für 24 Stunden den gesamten öffentlichen Nahverkehr bestreiken. Wie der Berliner ÖTV-Vorsitzende Kurt Lange am Samstag mitteilte, werden sich rund 15.000 der 17.500 Beschäftigten der »Berliner Verkehrs-Betriebe« (BVG) an den Kampfmaßnahmen beteiligen. Mit dem zunächst auf einen Tag befristeten Streik der BVG sollte der Schaden für die Bürger der Stadt in Grenzen gehalten werden, so Lange. Aus der ersten Streikphase bis Donnerstag sollen deshalb auch Krankenhäuser, Kindergärten sowie die Wasser- und Energieversorgung ausgespart bleiben. »Wir wollen die Arbeitgeber treffen, nicht die Bürger«, so Lange.

Die erste Phase vom 27. April bis 3. Mai nannte Lange einen »Schwerpunktstreik mit Signalcharakter«. Der Berliner ÖTV-Vorsitzende wollte nicht ausschließen, daß sich im Verlaufe des Streiks auch Ost- Beschäftigte mit ihren West-Kollegen solidarisieren. Für das östliche Tarifgebiet, das in den jetzigen Streik nicht einbezogen ist, endet am 30. April die Friedenspflicht.

Neben der ÖTV, deren Mitglieder zu 88,9 Prozent bundesweit für einen Streik gestimmt hatten, verzeichneten auch die anderen Gewerkschaften eine breite Zustimmung. Während sich bei der »Deutschen Postgewerkschaft« (DPG) 95 Prozent für den Arbeitskampf entschieden, wurde er bei der »Deutschen Angestellten-Gewerkschaft« (DAG) von rund 93 Prozent und bei der »Gewerkschaft der Polizei« (GdP) von über 92 Prozent befürwortet. Auch die »Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft« (GEW) erhielt unter ihren Mitgliedern bei den Kindertagesstätten das Votum für den Streik. Sie werden sich allerdings in der ersten Phase nicht am Ausstand beteiligen, hieß es dazu gestern von der GEW-Berlin.

Innensenator Dieter Heckelmann (parteilos) appellierte unterdessen an die Gewerkschaften, den Arbeitskampf »auf symbolische Maßnahmen zu beschränken«. Nur so könnten schwere Schäden für Berlin und seine Bevölkerung vermieden werden.

Die Bundesvorsitzende der ÖTV, Monika Wulf-Mathies, wird heute verschiedene Betriebe in Berlin besuchen, die bestreikt werden.

Einbezogen in die Kampfmaßnahmen der ÖTV ist auch die Deutsche Oper. Die Oper Lohengrin soll allerdings heute Abend mit den nicht in der ÖTV-organisierten Kollegen aufgeführt werden, so die Pressestelle gestern.

Als große Gewinner können schon jetzt die Taxiunternehmen gelten: In Berlin waren sie gestern gleich doppelt und dreifach ausgebucht. Eine halbe Stunde Wartezeit sowie weitere Insassen mit ähnlicher Fahrstrecke müßten alle Anrufer in Kauf nehmen, so die Auskunft der Funkzentralen gestern. sev

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