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Schulpolitisches Rollback in Bayern

■ Das Experiment der Gesamtschule ist im Freistaat beendet/ Vorhandene Schulen dürfen weiterarbeiten

Nürnberg (taz) — Im erzkonservativen Katholischen Männerverein von Tuntenhausen knallten gestern die Sektkorken, zusätzlich wird der strenggläubige bayerische Kultusminister und Chef des Männervereins, Hans Zehetmair, abends ein inbrünstiges Dankesgebet sowie eine Serie von Ave Marias gen Himmel geschickt haben. Der bayerische Ministerrat war seinem Vorschlag gefolgt und hat nach mehr als 20jähriger Dauer Gesamtschulen und Schulversuche mit Orientierungsstufen im Freistaat beendet. Eine weitere Runde im rechten Kulturkampf in Bayern ist damit geschlagen.

Schluß ist nun mit der „sozialistischen Gleichmacherei“ (O-Ton Zehetmair), alles hat wieder seine rechte Ordnung mit Haupt-, Realschule und Gymnasium, mit frühzeitiger Orientierung und entsprechender Auslese. Eliten braucht das Land — ganz wie die „Republikaner“ es in ihren aktuellen „Erziehungspolitischen Leitgedanken“ auch fordern.

Da bei einigen der betroffenen Gesamtschulen eine Rückführung in Regelschulen organisatorisch schwierig ist, sollen diese als „Schulen besonderer Art“ weitergeführt werden können. Integrierten Unterricht wird es aber nur mehr maximal bis zur achten Jahrgangsstufe geben, Abschlüsse werden im Rahmen des gegliederten Schulwesens vergeben.

Den Rest wird die Finanzknappheit der Kommunen im Freistaat schon richten. Da sich die Personalkostenzuschüsse an den Klassenhöchststärken der Regelschulen orientieren, zählen zusätzliche Lehrerstunden als Sonderaufwendungen und sind damit von der Kommune als Träger aufzubringen.

Die Erfolgsliste des Ministers, der schon einmal Homosexualität als „krankhaft“ und dem „Randbereich der Entartung“ zugeordnet hatte, ist beim bildungspolitischen Rollback damit noch länger geworden. Zunächst die Wiederbelebung des Schulgebets, dann die ersatzlose Streichung der „Zeugung“ aus der Sexualkunde und die Durchsetzung von drei Wochenstunden Religion für Grundschüler bei nur einer Stunde Musik und Kunst. Dabei hat es der Moralapostel des bayerischen Kabinetts aber faustdick hinter den Ohren. Er kam als „Busengrapscher“ in Verruf. „Als hätte ich kein Recht aufs Leben“, rechtfertigte sich daraufhin der Vorzeigemann aus Tuntenhausen. Bernd Siegler

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