: SPD contra große Koalition
Nur Ministerpräsident Gerhard Schröder schießt quer ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Am 27. Mai wird das erste Treffen zwischen Helmut Kohl und SPD- Chef Björn Enholm stattfinden. „Keinen Diskussionsbedarf“, so Partei-Vize Johannes Rau, sieht das SPD-Präsidium jedoch in puncto große Koalition. Eben dafür hatte sich der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder vor der Sitzung der SPD-Spitze ausgesprochen. Er vertrat die Auffassung, die christlich-liberale Koalition sei weder inhaltlich noch personell in der Lage, die anstehenden Probleme zu lösen. Die Sozialdemokraten könnten nicht als Alibi für eine angeschlagene Koalition fungieren.
Unter den Partei-Oberen stand Schröder damit offenbar (vorerst) allein. Die Regierung verfüge über eine numerische Mehrheit, so Johannes Rau für das Präsidium. Würde sich diese Situation ändern, dann wäre der Weg über Neuwahlen der richtige. Als Neuwahl-Forderung wollte Rau das nicht interpretiert sehen: „mutmaßlich kein aktuelles Thema“. Er verwies darauf, daß im Regierungslager niemand an große Koalitionen denke. „Völlig abwegig“, hatte auch der neue CDU-Generalsekretär Peter Hintze auf Schröder geantwortet.
Nachdem Engholm noch am Wochenende erklärt hatte, „für einen unverbindlichen Gedankenaustausch“ stünde seine Partei nicht zur Verfügung, verkündeten Kanzleramtschef Friedrich Bohl (CDU) und SPD-Geschäftsführer Karlheinz Blessing gestern den ersten Termin. Neben Kohl und Engholm werden vermutlich auch CSU-Vorsitzender Theo Waigel und FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff teilnehmen.
Während Regierungssprecher Dieter Vogel die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden als Thema nannte und davon ausging, daß das Asylrecht bis dahin zwischen den Fraktionsvorsitzenden geregelt ist, hielt sich die SPD bedeckt.
Erst der Kassensturz, dann alles weitere, so Johannes Rau. Wenn die von Björn Engholm geforderten Unterlagen über Finanzen und Schulden vorliegen, wird die SPD „das Konzept der Bundesregierung prüfen und eigene Vorschläge machen“. Dringend angemahnt hat das Präsidium ein „deutliches Signal für die Entkrampfung in der Tarifauseinandersetzung“.
Björn Engholm konnte sich gestern übrigens nur per Telefon in die Debatten der Parteispitze einschalten: Der Streik verhinderte den Flug von Kiel nach Bonn.
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