: Wo einem solche Ohrfeigen entgegenschallen
■ Thomas Albert, Akademie für Alte Musik, über die evtl. neue „Kammerphilharmonie“ aus Frankfurt und ihre bremischen Gegner
Immer heftiger wird in der hiesigen Musikszene um den möglichen Zuzug der „Deutschen Kammerphilharmonie“ aus Frankfurt gestritten. Dennoch scheint am Ende die heikle Implantation zu gelingen. Grund genug, mit dem zu reden, der die entscheidenden Schnitte gemacht hat: Thomas Albert, Chef der Akademie für Alte Musik, erzählte der taz, was er sich von so vielen neuen und vor allem jungen Musikern verspricht und gegen wen.
taz: Vom Staatsorchester bis zum Landesmusikrat hagelt's Proteste: Sie haben jetzt die eingesessenen Musikanten gegen sich.
Thomas Albert: Das ist eine ganz schlimme Sache, daß diesem Spitzenorchester jetzt solche Ohrfeigen entgegenschallen. Man soll doch auch dem Kulturressort mal eine Chance für solch ein Prestigeprojekt lassen, anstatt daß der Landesmusikrat denen gleich wieder auf den Kopf spuckt. Hat andererseits der Landesmusikrat ein Konzept für irgendwas? Man muß sich mal vorstellen: Da kommt ein junges Orchester, das sich basisdemokratisch und selbstbestimmt an die internationale Spitze gearbeitet hat, und hier ist man sich immer nur einig im Gemäkel.
Nun hat allerdings das Kulturressort von seinem Prestigeobjekt zuallerletzt erfahren.
Das ist aber nicht mein Problem. Man muß sehen, daß diese neue Mannschaft erst mal zurechtkommt. Ich hab sechs Wochen lang gar keinen Termin gekriegt.
Aber alle andern wußten auch nichts. Umso aufgeregter sind sie jetzt.
Ach, wenn die was planen, erzählen sie's auch nicht gleich allen Leuten. Die hätten mit Sicherheit nur Schwierigkeiten gemacht. Ich finde, daß kreative Menschen auch den Jagdschein haben, hier was zu gestalten.
Und weshalb murrt unser Staatsorchester und freut sich kein bißchen auf frische Leute?
Ein Staatsorchester besteht aus Musikbeamten. Das ist ein strukturelles Problem. Wenn man für so ein Orchester wie hier zwanzig Jahre nichts tut, wird es mit einemmal immer schwieriger, nicht nur, weil die Leute älter werden und ihnen seit langem 14 Stellen gesperrt sind. Das paralysiert einen schon ein bißchen.
Aber auch die Musikhochschule verbreitet ihren Unmut.
Bloß warum?
Weil man ihnen jetzt vielleicht lauter Dahergelaufene auf die vakanten Stühle setzt?
Ach, für dieses Junktim zwischen Philharmonie und Lehraufträgen bzw. Orchesterstellen ist es noch viel zu früh.
Man holt sich doch nicht 32 teure Musiker und besetzt dann die lang schon freien Stellen mit nochmal ganz anderen Leuten.
Aber da ist noch alles offen.
Ist nicht die Chance, die sich jetzt ergibt, die Umgestaltung der ganzen Musiklandschaft?
Da geb ich Ihnen recht. Nur ein Beispiel: An der Musikhochschule gibt es jetzt einen Konsens: man will eine Professur für Cello und Kammermusik, und aus Frankfurt käme der großartige Cellist Heinrich Schiff. Was paßt da nicht? Es gibt allerdings überall eine gewisse Angst vor überragenden Leuten.
Was könnte die Kammerphilharmonie in fünf Jahren idealerweise bewirken?
Es könnte ein Hin und Her geben zwischen guten Studenten bzw. Lehrern und Philharmonie, ein Reinschnuppern, viele Workshops, Vortragskonzerte, spezielle Jugendprojekte, Dozenturen. Die haben ja riesiges Interesse, sich einmal in einer Region zu verankern. Und weil dieses Orchester fast beliebig teilbar ist, sind Verzahnungen aller Art denkbar: Mal hier ein Quartett, mal dort ein Bläserensemble, wo man auch mal Schüler mit rein nimmt. Ich würd ihnen auch zutrauen, daß sie sich einfach mal für'n Marktplatz was einfallen lassen. Die Frage ist, ob man also anerkennen kann: Mensch, da sind die besseren Leute, die sind sozusagen das Sahnehäubchen auf unserem Mittelbau.
Und unser Heimatsender?
Da gibt's Kontakte. Wer sich schon kein Rundfunkorchester leisten kann, hätte doch hier die schönste Gelegenheit, mit einem ganz unkonventionellen, hochmotivierten Ensemble zusammenzuarbeiten. Da wären nebenbei ja auch durchaus Glanzleistungen abzuschöpfen.
Bietet Frankfurt noch mit?
Ja, aber die Philharmonie hat sich inzwischen einstimmig für Bremen entschieden. Was sie hier kriegen könnten, ist in Frankfurt nicht mehr drin.
In welchem Zeitraum rechnen Sie mit Entscheidungen?
Das muß jetzt ruckzuck gehn. Wo sich schon mal drei Ressorts einigen konnten, das ist doch auch ein Aufbruchssignal für die Ampel. Interview: schak
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